Die Sehnsucht der Nacht: Erzählungen (German Edition)
diese Paste auf deine Brust und auf Joies Nacken geben. Dann wirst du deinen physischen Körper verlassen und in sie eindringen müssen, sie von innen heraus behandeln und die Blutung stillen müssen, bevor du sie umwandelst.« Garys Erklärungen waren für Joies Geschwister gedacht, damit sie verstanden, was sich gleich ereignen würde.
Traian nickte kurz. »Beeil dich. Ihr Geist entgleitet mir.«
Unter Gabrielles aufmerksamem Blick packte Gary eine Hand voll Erde in das Loch in Traians Brust.
»Sein Speichel enthält eine heilkräftige Substanz«, klärte er die anderen auf, während er arbeitete. »Vampirzähne injizieren Gerinnungshemmer, um das Blut in Fluss zu halten, und der Speichel eines Karpatianers kann es heilen. Kombiniert mit dieser stark mineralhaltigen Erde ist er ein besseres Heilmittel als jedes andere, das wir für die Karpatianer haben.«
»Aber Joie ist keine Karpatianerin. Bei ihr könnte das Risiko sehr hoch sein, sich eine Infektion zu holen«, wandte Gabrielle ein, doch es war mehr eine Frage als eine Feststellung.
»Traian wird sie in seine Welt hinüberbringen müssen. Sie ist schon mehr als halbwegs dort«, erwiderte Gary und packte die Paste auf Joies Wunde. »Er hält sie durch pure Willenskraft bei uns, was auch der Grund ist, warum ich euch alles erkläre und nicht er. Er kann keine Energie mit Reden verschwenden.«
Gary blickte sich kurz um. Sie befanden sich auf dem kurzen Gang zur Eingangshalle, ein Großteil des Hotels war stark beschädigt, und überall standen Leute wie gelähmt vor Schock herum. Mirko Ostojic eilte mit einer Flinte in den Händen durch die Halle auf sie zu. Hinter ihm waren Slavicia, seine Frau, und ihre Tochter Angelina schon dabei, die Gäste aus diesem Bereich zu scheuchen.
»Sag uns, was wir tun können, um zu helfen«, bat Mirko.
Gary nickte. »Sagt euren Gästen, dass dieser Teil des Gebäudes vom Sturm beschädigt wurde und die Geräusche, die sie hörten, Donner und Blitze waren, die durch das Dach bis in den ersten Stock einschlugen. Du musst sie von hier fernhalten, Mirko. Die Fledermäuse, die unter den Dachvorsprüngen leben, kamen aus Angst vor dem Gewitter hier hereingeflogen.«
Der Gastwirt nickte und deutete auf Joie und Jubal. »Soll ich einen Arzt kommen lassen?«
Gary schüttelte den Kopf. »Wir haben alles unter Kontrolle«, beruhigte er ihn und wandte sich schnell wieder dem karpatianischen Jäger zu, als Mirko ging. »Ich werde deinen physischen Körper bewachen, Traian, wenn du ihn verlässt, um Joie von innen heraus zu heilen. Mikhail schickt Falcon her.«
»Nein«, lehnte Traian entschieden ab. »Sag Falcon, dass er bei dem Prinzen bleiben soll. Es ist noch ein weiterer Meistervampir in der Nähe, der nur auf eine Chance wartet, Mikhail zu töten. Falcon muss vor allem ihn beschützen. Wir müssen hier allein zurechtkommen, Gary.«
Der Wissenschaftler seufzte. »Na gut. Jubal, geh zur anderen Seite des Gangs und halte alle von uns fern. Lass niemanden näher als sechs Meter heran.«
Traian blendete alle Geräusche aus. Gary hatte bemerkenswerte Kenntnisse ihrer Lebensart gezeigt, und ihm blieb ohnehin nichts anderes übrig, als dem jungen Wissenschaftler zu vertrauen. Dennoch … Jubal, ich werde mich von meinem Körper lösen, doch ich kenne diesen Gary nicht gut genug, um ihm Joies Leben anzuvertrauen. Halt also die Augen offen!
Das werde ich. Rette sie nur bitte. Jubal sah seine Schwester an. »Gabrielle, komm her zu mir.«
»Ich will sehen, was er tut«, widersprach sie. »Ich bin selbst Ärztin.«
»Ich brauche dich hier«, wiederholte Jubal fest.
Gabrielle drückte die kalte Hand ihrer Schwester. »Rette sie, Traian!«, flüsterte sie und rappelte sich widerstrebend auf, um zu ihrem Bruder zu gehen.
Jubal streichelte ihr beruhigend die Schulter. Sag es mir, falls jemand auf uns zukommt. Ich werde Gary im Auge behalten, nur für alle Fälle. Ich weiß nicht, was geschehen wird, aber Traian wird sich in Gefahr befinden und hat mich um meinen Schutz gebeten.
Gabrielle nickte ihm kaum merklich zu. Natürlich wollte sie den Blick nicht von ihrer Schwester abwenden, doch was Jubal sagte, war vernünftig. Sie mochte Gary, aber sie kannte ihn ebenso wenig wie die anderen. Sie hatten sich mit Traian zusammengetan, und nur er schien imstande zu sein, Joie das Leben zu retten.
Traian schloss alles aus seinem Bewusstsein aus – das in Trümmern liegende Zimmer, die wenigen Insekten, die noch herumschwirrten, die an der
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