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Die Sehnsucht der Smaragdlilie

Die Sehnsucht der Smaragdlilie

Titel: Die Sehnsucht der Smaragdlilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Mccabe
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sie.
    „Ach ja, der Comte! Nicht wirklich, aber ich treffe ihn äußerst selten. Alle Männer sind in diesen Tagen so ernst und denken an nichts anderes als an Allianzen und Verträge.“
    Allianzen und Verträge waren sicher der einzige Weg für England und Frankreich, sich gegen die Ansprüche des Kaisers zu wehren und auf diese Weise sie alle zu schützen, dachte Marguerite, sprach den Gedanken aber nicht aus. Lady Penelope schien sich nicht viel für die Belange ihres Landes zu interessieren. Und um die Wahrheit zu sagen, auch Marguerite fiel es schwer, sich im Augenblick auf derlei Verwicklungen zu konzentrieren. Nicht, wenn allzu plötzlich Pfeile auf sie gerichtet wurden – und auch nicht bei der Gefahr, die Nikolai Ostrowski für ihr verletzliches Herz darstellte.
    „Ich bin überzeugt, dass keiner bei der Festvorstellung über Verträge grübeln wird“, meinte Marguerite. „Nicht, wenn Ihr in Eurem weißen Atlas so verlockend aussehen werdet.“
    Lady Penelope lachte. „Wie recht Ihr habt, Madame Dumas! Der Comte wird nicht umhinkommen, mich dann zu bemerken, selbst wenn unsere Gesichter hinter diesen goldenen Masken verborgen sind. Ich werde lernen, mich eleganter zu bewegen. Vielleicht könntet Ihr mir dabei helfen?“
    Marguerite erinnerte sich an die Piazza San Marco und an die Frau, die die Geliebte des Arlecchino gespielt hatte. Jede ihrer Gesten war von vollendeter Eleganz gewesen, voll spielerischer Schelmerei. Marguerite fragte sich, wer sie wohl war, was aus ihr geworden war und was sie Nikolai bedeutete.
    „Ich weiß nicht, wie man sich auf der Bühne bewegt“, sagte sie.
    „Natürlich wisst Ihr es! Wahrhaftig, jeder Mann hier ist schon in Euch verliebt, wenn er Euch nur tanzen sieht. Es soll zwar ein Geheimnis sein, aber ich habe gehört, dass Roger Tilney dabei ist, ein Sonett für Euch zu schreiben. Ich glaube nicht, dass man jemals ein Sonett für mich schreiben wird!“
    Marguerite lachte. „Dann verratet mir doch bitte, von wem Ihr Euch ein Sonett wünscht?“
    Während Lady Penelope einige ihrer Verehrer aufzählte – „schwerfällige Männer, ohne Sinn für Poesie“ –, bogen sie in einen anderen Weg ein. Ein Page stürzte auf Marguerite zu und überreichte ihr rasch ein gefaltetes Papier, bevor er wieder davonlief.
    „Seht Ihr?“, sagte Penelope. „Da ist schon das Sonett.“
    „Wenn es ein Sonett ist, dann ist es eher ein sehr kurzes“, gab Marguerite zu bedenken. Sie brach die Versiegelung auf – schlichtes rotes Wachs ohne Siegel – und entfaltete das Pergament.
    „Seid vorsichtig“, lautete die Botschaft in einfachen Blockbuchstaben. „Traut keinem. Gefahr kann an ungeahnten Orten lauern. Ein Freund.“ Unter den ungelenk geschriebenen Worten waren ein grober Pfeil und ein Sarg gezeichnet.
    Marguerite zerknüllte die Botschaft in ihrer Hand. Trotz des milden Nachmittags verspürte sie plötzlich eine eisige Kälte. Mit der anderen Hand umklammerte sie ihren Wanderstock, bis sie fühlte, wie sich die Schnitzereien in ihre Haut drückten.
    Hastig blickte sie sich um. Doch der Page war verschwunden, und niemand schaute auf verdächtige Weise zu ihr herüber. War der Verfasser des Briefes selbst eine der „lauernden Gefahren“, und beobachtete er sie jetzt? Wartete er eine günstige Gelegenheit ab, bis er einen weiteren Pfeil abschießen konnte?
    „Es ist wohl ein sehr schlechtes Gedicht?“, fragte Lady Penelope.
    Marguerite zwang sich zu einem Lachen. „Ja, ein sehr schlechtes, in der Tat! Ihr solltet Euch glücklich schätzen, dass Ihr nie ein solches Gedicht erhalten habt.“
    Sie stopfte den zerknüllten Brief in ihre kleine Samttasche und schaffte es, den Spaziergang mit Lady Penelope fortzusetzen und dabei zu plaudern, als hätte sie keine größeren Sorgen als misslungene Gedichte. Als Lady Penelope sich einer anderen Gruppe von Damen anschloss, entschuldigte sich Marguerite und machte sich auf den Weg zurück zum Theater.
    Sie wusste nicht, was sie sagen oder tun sollte, wenn sie dort ankam. War es sinnvoll, Nikolai etwas zu zeigen, das möglicherweise nur eine kindisch hingekritzelte unbedeutende Botschaft war? Was konnte er schon tun?
    Doch sie wollte, musste ihn sehen, zu sehr sehnte sie sich nach seiner Nähe, nach seiner Wärme.
    Sie schlüpfte in den stillen Theaterraum. Das Kichern der Damen war längst verhallt, und nur die Bahnen des schwarz-weißen Atlasstoffes und die goldenen Kronen waren zurückgeblieben. Aus irgendeiner weit entfernten

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