Die Sehnsucht des Dämons (German Edition)
er?“ Serena zitterte vor Kälte. Eigentlich müsste es in der Hölle doch heiß sein.
Der Erzengel bedeutete ihr, ihm zu folgen. Sie betraten einen Wald aus verwitterten Bäumen und gingen, bis sie eine zerfallene Hütte erreichten. Das strohgedeckte Dach war vermodert, an einigen Stellen verschimmelt, und der Garten vor der Hütte war völlig verwildert und von Unkraut überwuchert. Ein Rosenstock stand vermodernd in einer trockenen Blutlache. Ohne anzuklopfen, betrat Gabriel die Hütte.
Eine dünne Staubschicht lag über den dunklen Holzböden. Die wenigen Möbelstücke waren zusammengebrochen und faulten vor sich hin. Als Serena einen Schritt nach vorn machte, gab der Boden quietschend unter ihr nach. Rasch zog sie ihren Fuß aus dem Loch und folgte Gabriel weiter.
Aus einem zweiten Raum hörten sie einen Mann fluchen und einen anderen stöhnen.
Gabriel legte einen Finger auf seine Lippen, damit sie still war. So leise sie konnte, folgte Serena ihm. Er stieß eine Tür auf.
Da lag Julian, auf ein Kinderbett gekettet, dessen hölzernes Gestell morsch war. Es war die Szene aus ihrem Albtraum. Julian hatte eine Gänsehaut, Schweiß rann über sein Gesicht.
Serena kniete sich hin und strich ihm mit der Hand über die Stirn. „Was hat er?“
„Das Fleckfieber. Es wird von Läusen übertragen. Heute kann die Krankheit mit Antibiotika geheilt werden.“
„Man kann ihn also behandeln?“ Sie sah den Erzengel fragend an.
Gabriel nickte. „Mit den Mitteln der modernen Medizin wird er wieder völlig genesen.“
Julian öffnete plötzlich die Augen. Sein fiebriger Blick wurde zwischen den verkrusteten Lidern sichtbar. „Du hättest nicht herkommen dürfen. Ich kann dich nicht länger beschützen. Ich besitze keine Macht mehr. Bitte geh. Bevor er zurückkommt.“
Ein ungutes Gefühl ließ Serena erschaudern. Sie spürte, dass sich ihr etwas näherte, so wie eine Katze ein bevorstehendes Gewitter ahnt. Sie stand mit dem Rücken zur Tür und wirbelte jetzt in Sekundenbruchteilen herum, um sich vor dem herannahenden Bösen zu schützen. Da stand Corbin im Türrahmen. Nicht der Corbin, den sie kannte, sondern der Corbin der Hölle, ein Skelett. Überreste von Fleisch, Venen und Arterien hingen an seinen Knochen und seinem Schädel, doch er bewegte sich schneller als jedes lebendige Wesen. Serena erhob sich und baute sich vor ihm auf, obwohl sie am ganzen Leib zitterte. „Wenn man vom Teufel spricht.“
Als Corbin die Tür hinter sich zuschlug, erschien ihr der Raum noch kleiner. Wie eine Gefängniszelle, in der sie sich zu viert befanden, umgeben von Krankheit und Verwesung. „Das nenne ich unerwarteten Besuch. Engel in der Hölle. Und keine Gefallenen, wie ich sehe“, röhrte Corbin. „Es tut mir leid, aber ihr fordert euer Glück ein wenig zu sehr heraus. Jetzt, wo ihr hier seid, könnt ihr auch gleich bleiben.“
„Wir sind wegen Julian gekommen.“ Serena stellte sich dem Bösen mutig entgegen, während ihre Knie bedrohlich schlotterten. Wenn sie auch hier versagte, würde es drei verlorene Seelen geben, nicht nur eine. Sie vertraute darauf, dass Gabriel sie führte und sie vor den abscheulichen Mächten, die hier unten herrschten, beschützen würde.
Der Erzengel stand neben ihr. Selbst inmitten dieser Pestilenz war er ein herrlicher Anblick. Die Hölle konnte weder den strahlenden Glanz seiner Flügel noch die Schönheit seines Antlitzes schmälern. Er stand schweigend da, und Serena schöpfte Mut allein aus seiner Anwesenheit.
Beim Anblick der Engel schnaubte Corbin verächtlich. „Julian geht nirgendwo mehr hin. Er wird für den Rest aller Zeiten in der Hölle verrotten. Und ihr mit ihm.“
Serena atmete tief ein. „Du hast keine Macht über mich, Corbin. Du hast mich einmal geschlagen, aber ich habe keine Angst mehr vor dir.“
Als Antwort schenkte er ihr ein knochiges Grinsen. Wie ein Schatten bewegte sich der Dämon auf sie zu und packte ihren Arm. „Ich werde dir einen Vorgeschmack auf das geben, was dich hier unten erwartet. Komm, ich mache mit dir eine Tour durch deine ganz persönliche Hölle.“
Sie spürte, wie sich ihr Körper auflöste und sie aus dem kleinen Raum in der Hütte weggebracht wurde. Sie entmaterialisierte sich. Denk dran: Du hast die Erkenntnis erlangt , hatte Arielle zu ihr gesagt. Serena sah Corbin fest in die Augen und konzentrierte sich auf einen einzigen Gedanken: Du hast die Erkenntnis erlangt.
Er kämpfte gegen sie, maß seine Willenskraft an ihrer. Um sie
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