Die Sehnsucht des Dämons (German Edition)
Rhythmus der Musik und tanzten bis in den Morgen hinein mit den ausgelassenen Massen.
Es war exakt ein Jahr her, dass Serena ihr menschliches Leben verloren hatte. Und an diesem besonderen Tag fuhr Serena mit Julian nach Carmel, ihrer Heimatstadt. Das mit dem Entmaterialisieren klappte nicht immer, und so wählten sie die verlässliche Methode und nahmen den Maserati. Doch diesmal saß sie am Steuer.
Sie nahmen den Cabrillo Freeway, dessen Fahrbahn sich an der Steilküste entlangwindet und landschaftlich besonders reizvoll ist. „Vor genau einem Jahr fuhr ich auf dieser Straße nach Hause. Ich hielt an, weil sich ein Unfall ereignet hatte. Ich wollte helfen und starb dabei.“
Unwillkürlich verglich sie den Tag damals mit dem heutigen. Damals war es nicht sonnig und klar gewesen. Am Abend hatte sich der Himmel nicht zu einem spektakulären Sonnenuntergang verfärbt so wie jetzt. Emotionen stiegen in ihr hoch. Sorge. Angst. Zweifel.
Die Sonne versank im Meer und war ganz verschwunden, als sie endlich den Kloß in ihrem Hals heruntergeschluckt hatte und wieder sprechen konnte. „Ich habe einen Teil von deinem menschlichen Leben gesehen, einen sehr persönlichen Teil. Deshalb habe ich beschlossen, dir auch einen wichtigen Teil meines menschlichen Lebens zu zeigen“, erklärte sie. „Ich möchte, dass du mich genauso gut kennst wie ich dich, Julian.“
Als sie sich der damaligen Unfallstelle näherten, wurde sie von Panik erfasst. Am liebsten hätte sie gewendet und wäre schnurstracks zurück nach Los Angeles gefahren. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass es sie immer noch so mitnehmen würde, hier entlangzufahren.
Schließlich waren sie am Ziel.
Ohne Regen und ohne Autowracks war es einfach ein Stück Straße, nicht besonders bemerkenswert, wären da nicht die beiden blumengeschmückten Gedenkkreuze am Straßenrand, auf denen ihr und Meredith’ Name standen.
Aber das war es nicht, was sie Julian hatte zeigen wollen. Sie parkte und nahm Julian an der Hand. Dann führte sie ihn in den Wald. Mit einer Taschenlampe leuchtete sie ihnen den Weg. Sie wusste, wo sie hinwollte, kannte den Weg genau. Sie gingen schweigend, und all die Gerüche und Geräusche aus ihrer Kindheit umfingen sie wieder. Der frische, würzige Duft der Kiefern und Zypressen. Das Donnern der Wellen, das immer lauter wurde, je näher sie dem Meer kamen. Die ersten Sterne kamen heraus, die man hier, fernab der Lichter der Großstadt, sehen konnte.
Sie legte einen Finger auf ihre Lippen. Dann kletterte sie, ihm voran, auf einen großen Felsen und bedeutete ihm, über den Rand zu schauen. Sie flüsterte: „Guck mal!“
Sie standen auf einer Klippe und blickten auf die zerklüftete Küstenlinie bei Point Lobos. Dort unten hatte sich eine größere Gruppe zusammengefunden. Viele Lichtpunkte erhellten den Strand und strahlten ihr Licht zurück in den Himmel.
Sie war mit Julian hierhergefahren, um ihrer eigenen Gedenkfeier beizuwohnen. Sie hatte ihn mitgenommen, weil es ihr so leichter fiel, Lebewohl zu sagen. Sie hatte ihn mitgenommen, weil sie selbst durch die Gedanken ihrer Familie und Freunde hierhergerufen worden war. Durch ihre Hoffnungen und Tränen, im Glanz der Sterne und im flackernden Licht der Kerzen. Im Vergleich zu der Masse an Menschen, die sich zum Gedenken an Nick versammelt hatten, war diese Gedenkfeier klein. Aber das waren die Menschen, die sie geliebt hatte. Sie bedauerte Nick, wo auch immer er sein mochte, schloss die Augen und sprach ein stilles Gebet für seine Seele. Eines Tages würde sie ihn finden.
So wie sie eines Tages ihren Vater finden würde.
Doch jetzt war sie hier. Und sah denen zu, die sich ihretwegen an diesem Abend hier versammelt hatten. Ihre Mutter hatte sich vor die Gruppe gestellt. Serena stand mucksmäuschenstill und versuchte, dem fernen Klang der Stimme ihrer Mutter Muriel zu lauschen.
„Hinter uns liegt ein Jahr mit vielen ‚ersten Malen‘. Das erste Thanksgiving ohne sie, das erste Weihnachten. Ihr vierundzwanzigster Geburtstag, der Unabhängigkeitstag. Ohne sie ist unser Leben leerer. Ruhiger. Doch ich spüre, dass sie noch immer bei uns ist und über uns wacht. Schätzchen, wir lieben dich.“
Jetzt stellte sich Andrew neben seine Mutter und legte tröstend den Arm um sie. Einige wischten sich die Tränen ab. Auch Serena war zum Weinen zumute.
Ich liebe euch auch. Ich bin euch so viel näher, als ihr denkt.
Da hob Muriel den Kopf und blickte in Serenas Richtung. Ihre Mutter spürte,
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