Die Seidenbaronin (German Edition)
nervös ihr Haar ordnete und das elegante Kleid glattstrich, das sie extra angezogen hatte.
Die Tür ging auf, und der Diener trat ein.
«Ich lasse Herrn von Bahro bitten», kam Paulina seiner Ankündigung ungeduldig zuvor.
Der Mann, den sie noch vierundzwanzig Stunden vorher an derselben Stelle scharf zurechtgewiesen hatte, räusperte sich verlegen. «Gnädige Frau … ähm … der Besucher ist nicht Herr von Bahro.»
«Wie bitte?» Paulina glaubte, sich verhört zu haben.
«Bei dem Reiter, der gerade eingetroffen ist, handelt es sich um einen Boten des Fräuleins von Bahro. Er hat eine Nachricht für Sie, gnädige Frau, die er Ihnen persönlich überbringen soll.»
Und Christian? Wo war Christian? Paulina fühlte sich plötzlich mit Schrecken an den Albtraum erinnert, den sie vier Jahre zuvor erlebt hatte. Sollte ihr erneut eine derartige Enttäuschung und Demütigung bevorstehen?
Mit tonloser Stimme bat sie, den Besucher hereinzuführen.
Sie stürzte auf den Boten zu und riss ihm den Brief aus der Hand. Fieberhaft, mit zitternden Fingern brach sie das Siegel auf und faltete das Papier auseinander. Es war ein kurzes Schreiben in einer schnörkeligen, nach links gerichteten Schrift, die sie nicht kannte.
«Meine liebe Frau von Ostry», stand dort. «Christian hat heute in aller Frühe einen Befehl seines Hauptmanns erhalten. Er musste sofort nach Rostock aufbrechen. Lassen Sie meinen Bruder nicht ohne Aussprache zurück in den Krieg ziehen! Vielleicht erreichen Sie ihn noch! Sie werden ihn im Haus des Herrn von Plirnitz finden. Ich werde in wenigen Minuten nach Schloss Bahro abreisen. Ihre ergebene Karoline von Bahro.»
Kaum eine halbe Stunde später fuhr ein schneidiger Einspänner zum Parktor von Boltenhusen hinaus.
«Denken Sie daran, was ich Ihnen versprochen habe», sagte Paulina zu ihrem Kutscher. «Wenn Sie Rostock schnellstmöglich erreichen, werde ich mich in gebührender Weise erkenntlich zeigen.»
«Das lasse ich mir nicht zweimal sagen, gnädige Frau», antwortete Franz, der angesichts der in Aussicht gestellten Belohnung ein wenig umgänglicher war als sonst. «Falls Herr von Bahros Kutsche keine Flügel bekommen hat, stehen unsere Chancen gut, ihn einzuholen.»
Ohne Zwischenfälle erreichten sie am Abend Güstrow. Paulina nahm sich ein Zimmer in einer einfachen Herberge und schickte Franz los, damit er sich nach Christian von Bahro erkundigte. Als der Bursche nach zwei Stunden zurückkehrte, berichtete er, dass in der ganzen Stadt niemand etwas von einem Herrn von Bahro gehört habe.
Paulina verbrachte eine unruhige und sorgenvolle Nacht in dem unbequemen Gastzimmer und drängte den armen Kutscher am nächsten Tag schon in aller Herrgottsfrüh zur Weiterfahrt.
Das Wetter hatte gewechselt und verhieß nichts Gutes. Paulina blickte beunruhigt zum Himmel hinauf, über den mit beängstigender Geschwindigkeit dichte graue Wolken zogen.
Am Mittag wurde der Wind stärker. Heftige Böen erfassten die kleine Kutsche und machten ein Fortkommen mit jeder Stunde schwieriger. Immer wieder zwangen kräftige Regenschauer Paulina und ihren Kutscher, unter einem Baum Schutz zu suchen.
«Ich fürchte, dass ein Sturm aufzieht, Madame!» Franz musste fast schreien, damit die junge Frau ihn überhaupt verstand. «Wir sollten im nächsten Dorf anhalten!»
«Nichts da!», bestimmte Paulina. «Wer weiß, wie lange dieser Sturm dauert! Es dürfte nicht mehr weit bis Rostock sein. Wir fahren weiter!»
Sie hörte den Kutscher laut fluchen und beschloss, sich noch großzügiger zu zeigen, als sie es ohnehin geplant hatte, wenn er sie heil ans Ziel brachte. Ihre Hoffnung wurde jedoch im nächsten Moment zunichtegemacht. Hinter einer Kurve tauchte ein mächtiges Hindernis auf, das den ganzen Weg versperrte. Franz blieb nichts anderes übrig, als mit aller Kraft die Zügel anzuziehen und das Pferd in einigem Abstand zum Stehen zu bringen.
«Schauen Sie nach, was es dort gibt!», wies Paulina ihn an, verärgert über den unvorhergesehenen Halt.
Der Kutscher kam bald darauf zurück. Er war triefend nass vom Regen und erzählte aufgeregt, dass der Fuhrwagen zweier Fischerburschen umgekippt war. Das Zugpferd hatte gescheut, und der schwere Wagen war zur Hälfte eine steile Böschung hinuntergerutscht. Bei dem Versuch, den Wagen wieder hinaufzuschieben, war das Bein des einen Fischers von einem Hinterrad eingeklemmt worden.
«Konnten Sie den Männern nicht helfen?», fragte Paulina entnervt.
Franz schüttelte den
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