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Die Seidenbaronin (German Edition)

Die Seidenbaronin (German Edition)

Titel: Die Seidenbaronin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Rauen
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haben die Menschen lange Ohren.»
    «Warum haben Sie mich hergebeten?», kam Paulina ohne Umschweife zur Sache.
    Karoline musterte sie prüfend. «Ich muss sagen, dass ich meinen Bruder verstehen kann. Auch wenn es mir manchmal das Herz gebrochen hat, dass er all die Jahre so gelitten hat, vermag ich nachzuvollziehen, dass er sich schwertat, eine Ihnen ebenbürtige Frau zu finden.»
    «Warum hat er mich dann seinerzeit zurückgewiesen?», fragte Paulina, erstaunt über die Offenheit der anderen.
    «Christian will es bis heute nicht wahrhaben, dass er das Opfer einer Intrige seines eigenen Vaters geworden ist. Graf Bahro hätte alles getan, um eine Heirat meines Bruders mit Ihnen zu verhindern. Sie kennen die Geschichte, die dahinter steht?»
    Paulina nickte. «Ihr Vater hat sie mir selbst erzählt. Nun, es wäre ohnehin zu spät. Die Dinge haben sich in den letzten Jahren sehr verändert.»
    «Ich weiß. Sie sind mittlerweile verheiratet.»
    «Nicht nur das. Von unserer Liebe ist nicht viel übrig geblieben.»
    Karoline hob zweifelnd die Augenbrauen. «Sind Sie da so sicher? Warum sind Sie dann hergekommen?»
    Paulina kniff die Lippen zusammen. Ja, warum war sie eigentlich hergekommen?
    «Ich mische mich ungern in die Angelegenheiten meines Bruders», fuhr Karoline von Bahro fort, «aber da ich ihn nun einmal in schwesterlichem Beistand nach Neubrandenburg begleitet habe, werde ich meinem Vorsatz dieses eine Mal untreu werden – in der Hoffnung, das Richtige zu tun.»
    «Sie sprechen in Rätseln, Mademoiselle.»
    «Seit sieben Tagen weigern Sie sich, meinen Bruder zu empfangen. Christian begründete es damit, dass die traurige Geschichte mit der Gräfin Bahro zwischen Ihnen stehe.»
    «Allerdings, und das aus gutem Grund, wie mir scheint. Man hat meine Großtante in dem Glauben sterben lassen, dass ich mich von ihr abgewandt hätte. In Wahrheit verbot man mir jedoch, sie zu besuchen.»
    «Ich weiß, Madame. Ich weiß auch, wie oft die Gräfin Bahro nach Ihnen gefragt hat. Selbst meine Mutter, die sich allerdings niemals gegen meinen Vater auflehnen würde, war nicht damit einverstanden, die alte Dame in diesem Irrglauben zu lassen.»
    «Daran ist aber nun nichts mehr zu ändern!», wandte Paulina voller Bitterkeit ein.
    Ein flüchtiges Lächeln huschte über Karolines Gesicht. «Sie haben Ihre Großtante sehr gemocht, nicht wahr?»
    Paulina nickte stumm.
    «Sie hat noch auf dem Sterbebett nach Ihnen gefragt», erzählte Karoline. «Bis zum Ende konnte sie nicht verstehen, dass Sie nie mehr etwas von sich hatten hören lassen. Da sie nicht nur Ihre Großtante, sondern auch meine Großmutter war, konnte ich es nicht ertragen, sie mit ihrem Kummer sterben zu lassen. Ich habe ihr, als ich einen kurzen Moment mit ihr alleine war, die Wahrheit erzählt.»
    «Das haben Sie wirklich getan? Hat meine Großtante Ihnen die Geschichte denn geglaubt?»
    «Großmutter war zum Schluss nicht mehr die, die Sie gekannt haben», erklärte Karoline betrübt. «Aber ich kann Ihnen versichern, dass sie zutiefst erleichtert war, dass Sie, ihr Schützling, sich nicht aus freiem Willen von ihr abgewandt hatten. Bald danach ist sie friedlich verstorben.»
    Paulina war unfähig, etwas zu sagen.
    «Darf ich Sie ersuchen, alles, was ich Ihnen erzählt habe, für sich zu behalten?», bat Karoline.
    Paulina trat auf Christians Schwester zu und drückte ihre Hände. «Sie können sich darauf verlassen! Ich danke Ihnen für Ihren unbeschreiblichen Mut. Es nimmt mir eine große Last von der Seele, dass meine Großtante nicht im Groll auf mich von dieser Welt gegangen ist. Wenn ich jemals etwas für Sie tun kann …»
    «Werden Sie mit meinem Bruder sprechen?», bat Karoline ohne Zögern.
    Paulina sah die junge Frau an. Vom ersten Moment an hatte sie eine Art Zuneigung für sie verspürt. Vielleicht hätten sie – unter anderen Umständen – sogar Freundschaft schließen können. So aber würde immer eine Mauer aus Familientragödien und Heimlichkeiten zwischen ihnen stehen.
    «Ja», sagte Paulina schließlich. «Ich werde mit Christian sprechen.»

Kapitel 29
    Boltenhusen, Oktober 1794
    Als sich am späten Vormittag endlich ein einsamer Reiter dem Schloss näherte, waren Paulinas Nerven bis zum Zerreißen gespannt. Sie löste sich vom Fenster in ihrem Schlafzimmer und begab sich hastig in den Salon.
    Schritte auf der Treppe kündigten bald das Kommen des Besuchers an. Paulinas Herz begann wie wild zu pochen. Sie ertappte sich dabei, wie sie

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