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Die Seidenbaronin (German Edition)

Die Seidenbaronin (German Edition)

Titel: Die Seidenbaronin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Rauen
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dass dessen letztes Stündchen geschlagen habe.
    Paulina sah, dass der Wagen sich wieder bewegte. Verzweifelt griff sie nach irgendeiner Kiste, obwohl sie wusste, dass das Fuhrwerk sich nicht mehr lange halten würde. Was sollten sie nur tun? Warum kam Franz nicht endlich? Nie in ihrem Leben hatte sie sich so hilflos gefühlt.
    «Fort da, Mädchen!», rief plötzlich eine gebieterische Stimme.
    Eine energische Hand schob sie beiseite. Als Paulina sich umsah, blickte sie in die hellen Augen von Christian. Regentropfen rannen über sein Gesicht, Strähnen seines nassen Haars klebten an Stirn und Schläfen. Auf seine Uniform klatschte der Regen.
    «Sie, Madame?» Einen Augenblick starrte er sie verwundert an, dann wandte er sich dem Wagen zu und packte mit kräftiger Hand einen der Holzstämme, die vor dem Kutschbock lagen.
    «Die Holzstämme als Stütze unter den Wagen, damit er Halt bekommt!», befahl er, und Paulina sah, dass zwei weitere Männer neben dem verunglückten Fuhrwerk aufgetaucht waren.
    Soweit es möglich war, schoben die Helfer die Holzstämme unter den Wagen. Mit fester Stimme erteilte Christian Anweisungen.
    «Ladet die restliche Ware ab und spannt unsere Pferde in die Deichsel!»
    Während Christian und einer seiner Begleiter mit flinken Griffen versuchten, das Fuhrwerk über dem aufgeweichten Boden standfester zu machen, lief der zweite Mann zu dem wenige Schritte entfernt stehenden gräflichen Wagen und spannte die beiden Pferde aus. Paulina erkannte den Kutscher der Bahros.
    «Beeil dich, das Fuhrwerk rutscht wieder ab!», rief Christian.
    Der Kutscher führte die beiden Pferde herbei. Nervös tänzelten sie über den schlammigen Weg. Besonders eins von ihnen, ein prächtiger Rappe, dessen schwarzes Fell vom Regen glänzte, gebärdete sich wie wild. Als er zur Deichsel kam, machte er Anstalten zu steigen und schüttelte seinen Führer ab.
    «Das Pferd!», schrie Paulina gegen den Wind an. «Es läuft fort!»
    Mit einem Satz war Christian bei dem widerspenstigen Tier und packte es am Zügel. Seine Hand legte sich beruhigend auf die Nüstern des Tiers. Der Rappe machte noch ein paar Sprünge zur Seite, dann hatte der junge Mann ihn gebändigt und spannte ihn mit wenigen, geübten Handgriffen in die Deichsel.
    «Gib’s ihnen mit der Peitsche!», rief er, worauf Christians Begleiter eine lange Gerte auf den Hintern der Pferde sausen ließ.
    Während Christian die Pferde vorwärts zog, schoben seine Männer mit aller Kraft das Fuhrwerk an. Die gestapelten Waren fielen endgültig zusammen und rollten vom Wagen oder blieben unter dem Kutschbock liegen.
    Endlich, nach einer halben Ewigkeit, bewegte das Fuhrwerk sich ein Stück aus dem Graben heraus. Paulina sprang die Böschung hinunter, packte den verletzten Fischer unter den Armen und versuchte, ihn unter dem Rad hervorzuziehen. Drohend sah sie den Wagen über sich hängen. Wenn er nun abrutschte, würde er sie beide unter sich begraben. Der Fischer schrie vor Schmerzen, doch Paulina zerrte weiter.
    Die junge Frau hörte, wie Christian mit entschlossener Stimme seine Befehle erteilte. Plötzlich war sie ganz sicher, dass jetzt, wo er da war, alles gutgehen würde. Er war im Krieg aus einer vom Feind umringten Festung entkommen – dann würde er auch dieses verdammte Fuhrwerk aus dem Graben ziehen können!
    Und wirklich! Wieder bewegte der Wagen sich ein Stück nach oben. Paulina spürte plötzlich keinen Widerstand mehr. Mit großer Anstrengung zog sie den Fischerburschen unter dem Rad hervor. Sie strauchelte und fiel hintenüber ins nasse Gras.
    Er war noch nicht weit genug weg! Das Fuhrwerk konnte jeden Moment nach unten kippen. Sie rappelte sich noch einmal auf. Unter Aufbietung ihrer letzten Kräfte schleifte sie den armen Jungen, der endlich in eine erlösende Ohnmacht gefallen war, in Sicherheit.
    «Er ist raus!», schrie sie, so laut sie konnte, durch den Sturm.
    Plötzlich war Christian an ihrer Seite.
    «Alle Achtung, Madame!», sagte er und beugte sich über den Verletzten. «Sie haben mehr Mut als so mancher Mann.»
    Dann richtete er sich wieder auf. «Spannt die Pferde aus!», rief er nach oben.
    Wenige Augenblicke später kippte das Fuhrwerk ab und rutschte vollends in den Graben. Das zweite Hinterrad zerbrach ächzend. Am Böschungsrand erschienen die anderen Männer mit den unruhigen Pferden und starrten auf die Überreste des Wagens, der den armen Eingeklemmten ohne Zweifel unter sich begraben hätte.
    Der Fischer lief den Abhang

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