Die Seidenbaronin (German Edition)
Kopf. «Der Wagen ist zu schwer. Außerdem ist er beladen.»
«Dann laden Sie ihn ab!»
«Das Fuhrwerk liegt halb im Graben, gnädige Frau. Es rutscht immer weiter ab. Der zweite Mann hat die Waren bereits in den Kutschbock umgeräumt, damit der Wagen nicht das Gleichgewicht verliert.»
Paulina wurde langsam ungeduldig. «Dann soll das verdammte Ding doch in Gottes Namen hinunterfallen, wenn es ohnehin nicht zu halten ist!»
Regentropfen rannen über die Wangen des Kutschers. «Das Fuhrwerk würde den Fischer unter sich begraben, gnädige Frau!»
«Allmächtiger!», stieß Paulina entsetzt hervor. «Dann ist der junge Mann ja in größter Gefahr!»
«Das kann man so sagen! Ich habe vorgeschlagen, dass wir versuchen, Hilfe zu holen.»
Paulina merkte, dass ihr Tränen in die Augen stiegen. Sie würden Stunden verlieren, wenn sie sich nun um das Fuhrwerk und den Mann kümmerten, und wer weiß, ob Christian dann überhaupt noch in Rostock sein würde. Andererseits konnte man den armen Kerl nicht seinem Schicksal überlassen. Mit einem Seufzer erhob sie sich vom Kutschbock und kletterte aus dem Wagen.
An der Unglücksstelle erwartete sie völlig verzweifelt ein durchnässter junger Mann. Er führte Paulina zu seinem Fuhrwerk, das mit dem hinteren Ende über einer abschüssigen Böschung hing. Halb darunter lag mit schmerzverzerrtem Gesicht ein weiterer Bursche und hielt den oberen Teil seines Beines mit beiden Händen umklammert. Es war unter dem riesigen Hinterrad eingeklemmt. Die hölzerne Umrahmung des Gefährts war zerbrochen, ein Teil der Ware war hinausgefallen. Das vordere Ende des Fuhrwerks mit dem Kutschbock ragte in die Luft. Das Zugpferd hatte man abgespannt, da es sich bei dem Unfall am Bein verletzt hatte. Mit hängendem Kopf stand es im Regen.
Um zu verhindern, dass das Gefährt vollends abrutschte und auf den armen Eingeklemmten rollte, hatte sein Begleiter einen Teil der Ware vor und auf dem Kutschbock zu einem wahrhaft abenteuerlichen Gebilde aufeinandergestapelt, das mit jedem Windstoß zusammenzufallen drohte.
Paulina kam zu dem Schluss, dass man keine Zeit verlieren dürfe.
Sie befahl Franz, ins letzte Dorf zurückzufahren und mit mindestens zwei Pferden oder Ochsen wiederzukommen, die das Fuhrwerk aus dem Graben ziehen sollten.
Der gute Mann, der nicht nur seine Belohnung dahinfließen sah, sondern auch den stetig stärker werdenden Sturm fürchtete, setzte eine unwillige Miene auf. Als er aber den armen, eingeklemmten Fischer erbärmlich stöhnen hörte, beeilte er sich, zu seiner Kutsche zu laufen, um sich auf den Weg zu machen.
Der Fischer blickte Paulina ungläubig an.
«So eine feine Dame wie Sie kann doch hier nicht im Regen stehen bleiben! Es gibt nicht einmal etwas zum Unterstellen!»
Obwohl ihre Kleider völlig durchnässt waren und sie vor Kälte zitterte, winkte Paulina ab. «Mir geht es immer noch besser als dem armen Kerl da unten!»
Es begann zu dämmern. Wie lange es wohl dauern mochte, bis Franz mit Unterstützung zurückkehrte? Das nächste Dorf war nicht allzu weit entfernt. Hoffentlich fanden sich ein paar Bauern, die den Sturm nicht scheuten und schnell zu Hilfe kamen! Bei Dunkelheit würde es wesentlich schwieriger werden, das Gefährt aus dem Graben zu ziehen.
«Der Wagen rutscht!», rief der Fischer plötzlich.
Das Gehölz des Fuhrwerks gab ächzende Geräusche von sich, während es ein Stück weiter in den Graben absackte. Der Eingeklemmte stieß einen schrecklichen Schmerzensschrei aus.
«Halten Sie die Ware fest!», rief Paulina und stürmte auf den Stapel aus Säcken, Holz und Kisten zu, der gefährlich schwankte. Die rückwärtige Lehne des Kutschbocks drohte zu brechen, und damit würde die gesamte Ware in den hinteren Teil rollen und den Wagen endgültig zum Abstürzen bringen. Ohne sich darum zu scheren, dass ihr vornehmes Kleid an einer zerborstenen Holzlatte hängenblieb und riss, packte sie beherzt zu und begann die Gegenstände umzuschichten. Der verblüffte Fischer ging ihr eilends zur Hand, und der Wagen kam zum Stillstand.
«Lange wird das nicht so stehen bleiben», meinte Paulina und betrachtete mit skeptischer Miene den in der Eile völlig planlos aufgetürmten Haufen. Zu allem Überfluss öffnete der Himmel auch noch all seine Schleusen, und ein sintflutartiger Platzregen ging auf das Land nieder.
«Wir werden nicht mehr viel ausrichten können!», rief sie entsetzt, und der Fischer eilte zu seinem unglücklichen Kameraden, in dem Glauben,
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