Die Seidenbaronin (German Edition)
endlich geschlossen glaubte.»
«Sind Sie es nicht, die verheiratet ist?»
Paulina senkte den Kopf. «Ja, Sie haben recht. Ich bin verheiratet. Mit einem Mann, den ich nicht liebe und der mich auch nicht liebt.»
Er trat zu ihr und strich ihr leicht über das Haar. Am liebsten hätte sie seine Hand festgehalten und an ihre Wange gedrückt.
«Ich kenne Ihre Geschichte mittlerweile», sagte er. «Obwohl ich nur wenige Tage in Mecklenburg war, kam ich nicht umhin, sie zu hören. Man hat sie allerorten erzählt.»
Paulina blickte zu ihm auf. «Und dennoch sind Sie nach Boltenhusen gekommen. Warum wollten Sie mich noch einmal sprechen?»
Er kniete vor ihr nieder. «Ich konnte nicht anders. Ich musste Sie wiedersehen. Auch wenn Sie mir ferner denn je erschienen, wollte ich mich vergewissern, ob von der Liebe, die ich für Sie empfunden habe, noch etwas vorhanden ist.»
Paulina starrte ihn atemlos an. Sie wagte nicht zu fragen, was er herausgefunden hatte.
«Weiß Ihr Vater, dass wir uns begegnet sind?», wollte sie wissen.
«Nein, und er wird es auch nicht erfahren.»
Paulinas Blick wanderte zu dem Alkoven, der einen Großteil des kleinen Zimmers einnahm und dessen schwere Vorhänge – gleichsam wie ein Symbol von etwas Verbotenem – zugezogen waren. «Ich würde also eine heimliche Mätresse für Sie sein?»
Er wirkte erstaunt. «Was könnten Sie denn sonst sein? Sie sind schließlich verheiratet, und ich bin Premierleutnant der hannoverschen Armee. Eine öffentliche Liaison mit Ihnen kann ich mir schlichtweg nicht erlauben. Was glauben Sie, wie schwierig es schon war, den Verdacht meiner Diener im Keim zu ersticken?»
Paulina stand auf und ging zu dem kleinen Fenster, vor das zum Schutz vor dem Sturm die Läden geklappt waren.
Warum war sie ihm nur hinterhergefahren? Wie hatte sie so dumm sein können, die unüberwindlichen Mauern nicht zu sehen, die mehr denn je zwischen ihnen bestanden? Ausgerechnet sie, der man nachsagte, einen so scharfen Verstand zu besitzen.
Er trat hinter sie und legte fast scheu seine Hand auf ihre Schulter.
«Sie sind die Frau meines Herzens. Das wusste ich vom ersten Augenblick an, als ich Sie sah – zuerst auf dem Gemälde in der Toskana und dann zwischen den Jahrmarktbuden in Trugenhofen. Aus irgendeinem Grund wollte das Schicksal nicht, dass wir zusammenkommen. Mittlerweile haben die Dinge sich geändert – nicht gerade zu unseren Gunsten. Eines aber hat sich nicht geändert: meine Liebe zu Ihnen. Ich konnte nie so weit gehen, eine andere Frau zu heiraten, da ich all die Jahre nicht aufgehört hatte, Sie zu lieben.» Er drehte sie sacht zu sich um. «Mir scheint, dass uns nur flüchtige Begegnungen beschert sind. Wieder bleiben uns nur ein Tag und eine Nacht. Ich muss morgen zurück zu meiner Armee nach Holland. Wann wir uns wiedersehen, vermag ich Ihnen nicht zu sagen. Der Krieg ist nicht vorhersehbar. Ich kann Ihnen jetzt nicht mehr geben als diese eine Nacht. Es liegt an Ihnen, meine Liebste! Wenn Sie es wünschen, lasse ich Sie alleine und lege mich zu dem Fischerjungen in die Kammer. Ich würde es verstehen, wenn Sie mich zurückwiesen, aber es würde mir das Herz brechen.»
Er sah sie erwartungsvoll an.
Sie waren noch unerreichbarer füreinander geworden. Jetzt standen nicht mehr nur sein Vater, sondern auch ihre Ehe und seine militärische Laufbahn zwischen ihnen. Es würde ihnen nichts anderes übrigbleiben, als mit der Heimlichkeit zu leben oder zu verzichten.
Paulina wollte nicht verzichten. Sie hatte plötzlich nur noch den Wunsch zu erfahren, wie der Blick dieser unvergleichlichen Augen, die so undurchdringlich sein konnten, in dem Moment sein würden, da sie sich der Liebe öffneten.
«Bitte bleib bei mir!», flüsterte sie.
Christian erbebte.
Es brach über sie herein wie der Sturm, der am Dach des Hauses rüttelte. Sie drängten sich aneinander und suchten wie Verdurstende die Lippen des anderen. Während sie fieberhaft an ihren Kleidern nestelten, taumelten sie zum Alkoven, rissen die Vorhänge zur Seite und ließen sich eng umschlungen auf das Bett niederfallen.
Es war eine Nacht ohne Ende. Eine Nacht der Zärtlichkeiten und Liebesspiele, der gemurmelten Geständnisse und Schwüre. Während draußen das Unwetter mit aller Macht wütete, erlebte Paulina hinter den dicht zugezogenen Vorhängen des bescheidenen Alkovens in Christians Armen eine Lust, deren Intensität sie fast erschreckte.
Christian schien wie entfesselt. Nie hätte Paulina eine
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