Die Seidenbaronin (German Edition)
bewegte sich und gab einen genießerischen Laut von sich. Seine Finger tasteten suchend über ihren Leib.
«Träume ich, oder bist du es wirklich?», grunzte er.
Sie schmiegte sich an ihn. «Davon müssen Sie sich schon selbst überzeugen», flüsterte sie.
Pierre blinzelte verschlafen. Sein Mund verzog sich zu einem breiten Grinsen. «Hattest du plötzlich Sehnsucht nach mir, meine Schöne?»
Sie spürte seine Hände auf ihrem Körper, die immer verlangender wurden. «Eine äußerst angenehme Überraschung …» Seine Stimme hatte einen erregten Ton angenommen. «Du kannst auf meine Liebeskünste wohl doch nicht verzichten, oder?»
Paulina schloss die Augen, damit er ihren widerwilligen Blick nicht bemerkte. «Ich habe noch eine weitere Überraschung für Sie», hauchte sie und holte tief Luft. «Ich habe mich entschlossen, Sie nach Crefeld zu begleiten.»
Kapitel 32
Crefeld, Dezember 1794
Soweit das Auge reichte, war das Land mit symmetrisch angeordneten Hütten und Baracken bedeckt. Auf den Feldern vor dem Fischelner Tor kampierten Tausende von französischen Soldaten. Der Rauch von Feuerstellen stieg in kleinen Wölkchen zum trüben Winterhimmel empor. In der Nacht hatte es leicht geschneit, und die grauweiße Trostlosigkeit des riesigen Lagers hatte etwas Gespenstisches.
Die Kutsche der von Ostrys fuhr auf der Straße von Uerdingen in Richtung Crefeld.
«Ich will sofort zurück nach Blommersforst», jammerte Sybilla, der schon wieder Tränen in die Augen stiegen. «Solange ich hier bin, werde ich kein Auge zutun können. Man muss ja in der ständigen Angst leben, dass diese Aufständischen einen des Nachts im Schlaf überfallen.»
«An die Gegenwart der Franzosen werden Sie sich gewöhnen müssen», entgegnete Paulina trocken, obwohl der Anblick dieses gewaltigen Truppenaufkommens auch bei ihr Beklemmung hervorrief.
«Im Grunde habe ich ja nichts gegen die Franzosen», bemerkte Pierre, «aber dass es gleich so viele sein müssen!»
«Gibt es eigentlich irgendetwas, das nicht zum Ziel Ihrer unangebrachten Scherze wird?», schluchzte Sybilla auf. «Ach, wären doch nur Sie anstelle meines armen Gatten von Räubern überfallen worden!»
«Aber Sybilla!», rief Catherine entrüstet, doch Pierre machte eine beschwichtigende Handbewegung.
«Lass nur, liebste Schwester. Der guten Sybilla sind einfach die Nerven durchgegangen.» Er seufzte dramatisch. «Ich fürchte, es wird nicht das letzte Mal gewesen sein.»
Frau von Ostry hatte sich seit Tagen apathisch in Schweigen gehüllt, aber nun, da der Wagen das Fischelner Tor passierte und nach Crefeld hineinrollte, geriet sie völlig aus der Fassung.
«Warum musste Conrad nur hierherfahren?», brach es aus ihr heraus, als sie sich mit erschütterter Miene in der Stadt umschaute, die sie vor knapp einem Jahr verlassen hatte. «Hätte er den Franzosen die Färberei nicht überlassen können! Sie stand doch ohnehin leer! Wir hatten uns so gut in Blommersforst eingerichtet!»
Die winzige Hoffnung der Heimkehrer, dass wenigstens innerhalb der Stadtmauern alles beim Alten geblieben wäre, musste man jedenfalls schleunigst begraben. Die Stadt war im Belagerungszustand. Französische Offiziere und Grenadiere spazierten durch die Straßen, als wären sie in Crefeld zu Hause. Überall lungerten zerlumpte Soldaten herum, hier und da stand schweres Kriegsgerät. An jeder Ecke begegnete man mächtigen, vierspännigen Fuhrwerken, die mit Waren aller Art beladen waren.
«Wollen die Franzosen das etwa alles aus der Stadt herausschaffen?», fragte Pierre. «Dann haben die Bürger ja bald selbst nichts mehr.»
Die von Ostrys waren beinahe erstaunt, dass sie ihr schönes Stadthaus unverändert antrafen. Erleichtert kletterten die Damen aus der Kutsche. Endlich konnte man einen Teil der gewohnten Bequemlichkeit wieder herstellen, und Frau von Ostry, der der Anblick ihres prächtigen Domizils ein wenig Kraft zu verleihen schien, gab den mitgereisten Dienstboten Anweisungen.
Paulina überließ die kleine Anna der Kinderfrau und beschloss, zunächst dem Geschäftshaus einen Besuch abzustatten. Nach den langen Reisetagen, an denen sie mit der entnervenden Familie in der engen Kutsche gesessen hatte, war sie froh, für ein paar Minuten alleine zu sein. Sie marschierte zum Nachbargebäude hinüber und wollte gerade die Tür aufschließen, als ihr ein junger Mann auffiel, der aus dem gegenüberliegenden Haus kam.
«Thomas!», rief sie erfreut. «Was für eine
Weitere Kostenlose Bücher