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Die Seidenbaronin (German Edition)

Die Seidenbaronin (German Edition)

Titel: Die Seidenbaronin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Rauen
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von einem hübschen jungen Mädchen gespielt, das neben der Darstellerin der Lady Milford jedoch stümperhaft und farblos wirkte.
    Paulina ließ sich langsam in ihren Stuhl zurücksinken. «Nein, ich muss Sie enttäuschen. Ich weiß fast gar nichts über diese Frau.»
    «Aber wag es, Unglückliche!», rief Lady Milford auf der Bühne. «Wag es, ihn jetzt noch zu lieben oder von ihm geliebt zu werden! Was sage ich? Wag es, an ihn zu denken oder einer von seinen Gedanken zu sein!» Sie steigerte sich zur Raserei. «Ich bin mächtig, Unglückliche, fürchterlich! So wahr Gott lebt! Du bist verloren!»
    Paulina schaute ihr gebannt zu.
    «Wie Sie schon immer sagten, Pierre», flüsterte sie, «Toscani hat einen guten Geschmack. Seine Schauspielerin ist wirklich eine Adelige. Sie entstammt einer Darmstädter Freiherrenfamilie.»
    «Woher wissen Sie das?», kam Sybillas Stimme aus dem Dunkel.
    Ohne den Blick von der Lady Milford zu nehmen, antwortete Paulina: «Ich weiß das, weil ich selbst aus dieser Familie komme. Die Dame ist die Schwester meiner Mutter.»

    Als Anna von Dornfeld am Arm von Toscani das Zimmer betrat, in dem die Gäste des Palais Ostry sich nach dem gerade beendeten Souper versammelten, erkannte man sie kaum wieder. Neben der massigen, markanten Erscheinung des Verwaltungsbeamten wirkte ihre elfenhafte Person fast ein wenig verloren. Sie hatte die dicke Theaterschminke gegen ein dezentes Rouge vertauscht, und ihre ausdrucksstarke Bühnenmimik war einer jungmädchenhaften Schüchternheit gewichen. Sie war so schön, dass jeder der Anwesenden sie unverwandt anstarrte.
    Pierre eilte auf das Paar zu und küsste Anna die Hand.
    «Ich freue mich ganz außerordentlich, dass Sie uns die Ehre erweisen, unser bescheidenes Heim mit dem Glanz Ihrer Gegenwart zu zieren», sagte er salbungsvoll.
    «Die Freude ist ganz auf meiner Seite», antwortete Anna. «Wenngleich ich natürlich weiß, welcher Tatsache ich es zu verdanken habe, dass ich Herrn Toscani heute Abend begleiten darf.»
    Pierre räusperte sich verlegen. «Nun, Madame, wir hätten Sie auch gerne willkommen geheißen, wenn Sie nicht … ähm, ich will damit sagen, dass es nichts mit Ihrer Verwandtschaft zu meiner Gattin zu tun hat …» Er sah hilfesuchend zu Paulina. «Schließlich sind Sie sogar von Adel …»
    «Ich verstehe Sie schon, Monsieur», sagte Anna freundlich. «Ich bin es gewohnt, dass man mich für nicht gesellschaftsfähig erachtet, weil ich Schauspielerin bin.»
    Die anderen Gäste beeilten sich zu versichern, dass sie sich außerordentlich freuten, Frau von Dornfeld in ihrer Mitte begrüßen zu dürfen. Sie sei ganz fantastisch in der Rolle der Lady Milford gewesen, und man hoffe, sie noch oft im Crefelder Theater zu sehen. Man habe ja nicht geahnt, dass sie sogar eine Baroness sei, was natürlich alles in einem gänzlich anderen Licht erscheinen lasse …
    Paulina beschloss, der albernen Szene ein Ende zu machen. Sie nahm Annas Hände. «Komm, meine Liebe! Ich möchte dich ein wenig für mich alleine haben. Die Herrschaften werden eine Weile auf unsere Gegenwart verzichten müssen!»
    Sie fing einen missmutigen Blick Toscanis auf. Wahrscheinlich konnte der alte Schwerenöter es kaum erwarten, wieder von hier zu verschwinden und mit Anna allein zu sein. Erst die Premierenfeier, dann die überraschende Einladung ins Palais Ostry – und zu allem Überfluss hatte sich auch noch herausgestellt, dass seine Geliebte mit der Gattin eines der höchsten Bürger der Stadt verwandt war. Paulina grinste schadenfroh. Der gute Toscani würde sich noch etwas in Geduld fassen müssen.
    Anna von Dornfeld folgte ihrer Nichte erleichtert auf den Flur hinaus. «Diese Leute haben mich angesehen, als wollten sie mich einem Wolf zum Fraß vorwerfen», flüsterte sie.
    Paulina lachte gut gelaunt. «Du bist hier in einer ehrenwerten Stadt, vergiss das nicht! Da jeder weiß, dass du die Mätresse von Toscani bist, würde man dich niemals empfangen. Ich habe heute gewissermaßen ein Tabu gebrochen.»
    Sie führte Anna in ihren Salon, in dem die Magd bereits ein behagliches Feuer im Kamin entzündet hatte.
    «Und dir macht es nichts aus, ein Tabu zu brechen?», fragte Anna und musterte ihre Nichte interessiert.
    «Mein Gatte ist Präsident des Gemeinderats und Mitglied der Gesetzgebenden Körperschaft», sagte Paulina. «Er hat bei den Franzosen viel für Crefeld erreicht. Wir führen zudem eine der erfolgreichsten Seidenfabriken der Stadt. Ich kann es mir

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