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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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und wirr auf die Schultern.
    Schließlich wagte sie einen scheuen Blick auf die Frau, die den Zorn ihres Meisters herausforderte.

    »Und warum soll sie nicht mehr wert sein als einen Viertel Florin?«, fragte Alix scharf. »Was glaubt Ihr denn, was Ihr wert seid?«
    Völlig verdutzt starrte sie der Mann mit offenem Mund an. Dieser Angriff hatte ihm die Sprache verschlagen, doch dann beruhigte er sich wieder. Wie kam die Frau dazu, den Wert eines Leinwebermeisters mit dem eines armen Waisenmädchens zu vergleichen, das zu nichts nutze war?
    Seine Gesichtszüge glätteten sich wieder, und der böse Zug um seinen Mund verschwand. Sein Zorn war wie weggewischt, er lächelte spöttisch und deutete mit dem Finger auf die junge Frau.
    »Sie ist ein Taugenichts, sie kann nichts.«
    »Und was sollte sie Eurer Meinung nach können?«
    »Verdammt noch mal - wenn sie schon nicht putzen, waschen oder kochen kann, dann muss sie eben spinnen oder weben!«
    Urplötzlich tauchte Alix in ihre eigene Vergangenheit zurück und erinnerte sich daran, wie sie - fast genauso alt - verloren vor dem Webstuhl gesessen hatte, ahnungslos und eingeschüchtert von den anderen Mädchen, die geschickter und erfahrener gewesen waren als sie. Wäre Jacquou damals nicht gewesen, hätte man sie gewiss noch am selben Abend weggeschickt.
    »Habt Ihr ihr denn schon einmal erklärt, was sie machen soll?«
    »Ob ich ihr das erklärt habe?«
    »Weiß sie denn, was Ihr von ihr erwartet?«
    Er lachte los und hielt sich einen dicken Finger vor den Mund, der in einen Ring mit einem funkelnden Cabochon gezwängt war.
    »Sie versteht einfach rein gar nichts.«
    Alix wandte sich an das Mädchen und lächelte es freundlich an.
    »Will deine Familie, dass du webst?«

    Vielleicht hätte das Mädchen der freundlichen Dame geantwortet, die sich so für ihr trauriges Schicksal interessierte, aber der schreckliche Kerl ließ sie gar nicht erst zu Wort kommen.
    »Sie hat keine Familie. Sie ist ein Waisenkind, das uneheliche Kind von einem Mailänder Kaufmann, der schon lange tot ist und sich ohnehin nie um sie gekümmert hat.«
    »Und ihre Mutter?«
    »Ihre Mutter ist letztes Jahr bei der Pest gestorben. Ich hatte sie als Dienerin im Haus.«
    Er lehnte sich zurück und streckte seinen dicken Bauch heraus; er trug ein gestepptes gelbes Wams zu genauso gelben Hosen, in denen seine dicken Schenkel steckten, die gar nicht zu den dünnen Waden passten.
    »Meine Mutter war keine Dienerin«, sagte das Mädchen leise.
    »Was hat sie denn gemacht?«, fragte Alix.
    »Jedenfalls nichts Gescheites!«, bellte der Händler. »War eines Tages plötzlich da, mit den Kaufleuten auf einer venezianischen Galeere gekommen. Denen war sie wohl schon zu Diensten!«
    Die beleidigenden Behauptungen des Mannes machten Alix nur noch wütender.
    »Ihr seid sehr ungerecht. Immerhin hatte diese Frau den Mut, allein ihre Tochter großzuziehen.«
    Der Leinweber klatschte in die Hände. Dann spielte er ein Weilchen mit dem Zobel an seinem Hut, den auch ein großer Cabochon zierte.
    »Also - ich verkaufe das Mädchen. Nein, was sage ich denn da, ich gebe sie her.«
    »Ihr gebt sie her? So nehme ich sie bestimmt nicht! Euch traue ich zu, dass Ihr mir nachlauft und Eure Florins reklamiert.«
    »Ganz bestimmt nicht, weil sie nichts wert ist.«
    Alix wurde immer wütender, weil er so verbissen darauf aus
schien, die junge Frau schlechtzumachen. Irgendwie gelang es ihr aber, ihren Zorn zu beherrschen.
    »Würdest du gern weben?«, fragte sie stattdessen das Mädchen und lächelte sie an.
    »Ja! Aber ich müsste es erst lernen.«
    »Und wenn ich es dir zeigte, würdest du es dann auch gut machen?«
    Die schönen blauen Augen des Mädchens begannen zu leuchten. Endlich zeigte sich ein Hoffnungsschimmer.
    »Ganz bestimmt.«
    »Nun, das Versprechen gefällt mir.«
    Alix tat so, als würde sie überlegen, griff dann aber plötzlich nach der kleinen Börse, die sie am Gürtel befestigt hatte.
    Der Weber wusste gar nicht, wie ihm geschah. Nachdem er damals Mutter und Tochter zusammen genommen hatte, konnte er die Kleine jetzt nicht einfach vor die Tür setzen, ohne dass ihn seine Zunft heftig kritisiert hätte. Es gehörte sich nicht, einen Lehrling einzustellen und ihn dann grundlos hinauszuwerfen. Aber ihm war das Mädchen nur eine Last. Deshalb bot er sie so billig feil.
    Am liebsten hätte er den Preis jetzt noch erhöht, aber dann würde es sich die Frau vielleicht anders überlegen und gehen.
    Alix nahm eine

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