Die seidene Madonna - Roman
ich weiß, habt Ihr, seit Cesare Borgia, der Sohn Alexanders VI., auf dessen Anraten hin seinen Kardinalshut abgegeben hat, freie Hand. Was wollt Ihr mir also heute anvertrauen?«
Ohne eine Antwort abzuwarten fuhr er fort:
»Ich dachte, Ihr würdet in Begleitung von Jean de Villiers kommen.«
»Das war auch vorgesehen, Louis, aber er hat Rom wohl später als geplant verlassen, weil er noch zwei Freunde erwartete, einen Maler und einen Weber.«
»Zwei Künstler also! Wer sind sie?«
»Bei dem einen soll es sich um den Flamen Van Orley handeln, der sehr schöne Gemälde für die Sixtinische Kapelle im Vatikan gemacht hat. Seinen Freund, den Weber, kenne ich nicht. Er kommt aus dem Val de Loire.«
»Ein Teppichweber aus dem Val de Loire? Die kenne ich fast alle. Wie heißt er denn?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete d’Amboise. »Es ist ein junger Tapissier aus Tours. Aber lasst uns zu den wichtigeren Angelegenheiten kommen«, fuhr er fort und spähte durch den Türschlitz, um sich zu vergewissern, dass die Hellebardiere nicht etwa lauschten. »Wisst Ihr bereits, dass der Stern der Sforza im Sinken begriffen ist, Louis?«
Der König nickte.
»Ja ja, ich weiß. Aber dieser Umstand dürfte für unsere Pläne eher von Vorteil sein!«
»Gewiss, vorausgesetzt wir wissen, wie wir damit umgehen müssen. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Sforza Usurpatoren sind. Sie haben den Visconti das Herzogtum Mailand geraubt, die es sich aber zurückholen wollen.«
»Das ist aber nichts Neues, mein lieber Georges.«
»Richtig«, gab der Kardinal zu, »aber seit Ihr nach dem Tod von Charles VIII. der Herr von Mailand geworden seid, hat sich einiges geändert.«
»Das ist mir bewusst, und es wird nicht besser, solange die Visconti unbeugsam bleiben. Doch genau hier können wir Stärke
beweisen«, meinte Louis entschieden. »Der Gedanke, gegen den Mohren Ludovico Sforza zu agieren, gefällt mir nicht schlecht. Außerdem habe ich noch eine private Rechnung mit ihm zu begleichen, wobei ich es aber nicht belassen will.«
»Das heißt, die Jagd auf die Sforza ist offiziell eröffnet!«
»Das ist Eure Angelegenheit, mein lieber d’Amboise. Ich weiß, Ihr seid klug und Soldat genug, um Erfolg zu haben. Zudem wird uns die Sache wohl etwas erleichtert, weil Sforza nicht mehr von Maximilian von Österreich protegiert wird.«
»So einfach ist es nun auch wieder nicht! Wir müssen uns absichern.«
Zerstreut rieb er sein spitzes Kinn, das ihm etwas Gebieterisches gab. Seine Augen blickten unruhig hin und her.
»Es wird nicht einfach sein, unseren Rückhalt abzusichern, bei all dem Misstrauen, das uns umgibt. Wie wollt Ihr das bewerkstelligen?«
»Indem wir mit England und Spanien mehr oder weniger ungenaue Verträge aushandeln«, meinte d’Amboise mit listigem Blick.
»Fremde Personen in die Sache zu verwickeln, scheint mir etwas heikel. Sogar der Papst macht den Eindruck, er ziehe sich immer mehr zurück, was ein Fehler wäre, weil er sich so nur eine unerfreuliche Überraschung einhandelt.«
»Zum Glück decken sich seine Pläne nicht mit denen der Sforza.«
Der König ging ein paar Schritte auf und ab, kratzte sich am Hals und nahm den Krug mit frischem Wasser, der auf dem Tisch mit seiner dicken Decke aus Genueser Samt stand.
Da steckte einer der beiden Hellebardiere den Kopf durch die Tür und geleitete Kardinal de Villiers ins Zelt.
»Ah, da seid Ihr ja, mein lieber Jean!«, rief der König und kam mit ausgestreckten Händen auf ihn zu. »Wie ich mich freue,
Euch wiederzusehen! Ihr habt Euch wirklich viel zu lange in Eurem Vatikan eingeschlossen.«
»Das stimmt nicht ganz, Louis, Ihr wisst doch, dass ich Euch sehr ähnle. Ich brauche viel Platz, und wenn mir die Luft ausgeht, lasse ich Roms Mauern hinter mir.«
»Wart Ihr inzwischen wieder in Konstantinopel?«
»Alexander Borgia hat mich zweimal dorthin geschickt, seit ich aus Tours zurück bin, um einige äußerst heikle Angelegenheiten zu regeln.«
»Heikel - so so! Der Borgia Papst ist ein weitsichtiger Mann, Jean. Wie steht er gegenwärtig zu mir?«
Jean wandte Georges d’Amboise den Rücken zu und bedeutete dem König unauffällig, dass er darüber nur unter vier Augen sprechen wollte.
»Ihr wisst bestimmt, dass ich nach wie vor als Kommanditär für Webwaren tätig bin, Louis. Zuletzt war ich in Spanien, um einen Auftrag für Johanna von Kastilien auszuhandeln. Dabei begleitete mich der Weber Van Aelst.«
»Ging es dabei vielleicht um die Panos de
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