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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman
Autoren: PeP eBooks
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sollen, als ich noch Herzog von Orléans war. Das hat er aber nicht getan.«
    »Auch ich habe eine offene Rechnung mit ihm.«
    »Und ich habe geglaubt, Ihr wärt in dieser Angelegenheit ganz neutral«, sagte der König überrascht.
    Jean de Villiers erhob sich und ging gedankenverloren ein paar Schritte auf und ab, als versuchte er sich an eine alte Geschichte zu erinnern.
    »Louis!«, sagte er dann zu ihm, »erinnert Ihr euch noch an eine dunkelhaarige, temperamentvolle Frau mit einem unbändigen Freiheitsdrang, die Léonore Cassex hieß?«
    »Léonore«, wiederholte der König leise. »Natürlich erinnere ich mich an sie, Jean. Wie hätte ich Eure schöne Eroberung vergessen können? Die Frau, die mir nie den Kuss schenkte, den ich so sehr begehrt hatte.«
    »Sie war keine ›Eroberung‹, und das wisst Ihr auch ganz genau. Léonore war meine einzige Liebe, mein Leben, mein Ein und Alles, meine einzige Sünde. Es gab eine Zeit, da bedeutete sie mir mehr als Gott!«
    »Was ist aus ihrer Tochter geworden?«
    »Wegen ihr bin ich auf das Thema zu sprechen gekommen. Isabelle hat ein Kind von Ludovico Sforza bekommen.«
    Der König konnte ein spöttisches Lächeln nicht ganz unterdrücken,
und seine Augen funkelten vor Freude. Immerhin hatte er sie damals in die Arme des Mohren getrieben, weil er sie in einer heiklen Mission zu ihm geschickt hatte, worauf sie sich für eine Gegenleistung bereit erklärte: Er sollte es ihr ersparen, den jungen Seigneur de La Trémoille heiraten zu müssen.
    »Ich weiß, dass Euch Léonores Tochter sehr viel bedeutet.«
    Der König amüsierte sich wirklich über das, was ihm gerade in den Sinn gekommen war, was er dem Kardinal aber ganz bestimmt nicht erzählen würde. Wieso sollte er ihm gestehen, dass er von Isabelle bekommen hatte, was er sich von deren Mutter so sehr gewünscht hatte? Isabelle ließ sich sehr gern umarmen und küssen. Léonore hingegen hatte nur gelacht und ihn zurückgewiesen, als Louis d’Orléans sie verführen wollte.
    »So so, dann hat Isabelle also ein Kind von Sforza!«
    »Ja, eine Tochter, Constance.«
    »Und wenn schon! Isabelle hat standesgemäß geheiratet. Zudem ist ihr Gatte derselbe Mann, den sie zurückgewiesen hatte, als sie aus Italien zurückkam. Geht es ihr denn gut?«
    »Nach allem, was ich zuletzt von ihr hörte, ist alles in bester Ordnung.«
    »Zu schade, dass Julien de La Trémoille nicht die brillanten Anlagen geerbt hat, die seine Familie auszeichnen. Er ist ein guter Reiter, aber ein mittelmäßiger Soldat. Er hat einfach nichts von seinem Großvater, der uns, Léonore und mich, zu Zeiten des Verrückten Kriegs hat einsperren lassen. Könnt Ihr euch noch daran erinnern, Jean?«
    Als ob Jean das je hätte vergessen können! Léonore versuchte damals, Isabelle zu sehen, die Anne de Beaujeu, die Regentin, an den bretonischen Hof geschickt hatte. Und Louis d’Orléans, wie stets im Widerstand gegen die königliche Krone, hatte sie ganz nebenbei in diesen Strudel der Revolten mit hineingerissen.

    »Léonore«, murmelte der König wieder, »was für ein unzähmbares Wesen, wie viel Feuer und Temperament!«
    »Ja, genau! Louis, ich möchte Euch ihren Sohn vorstellen. Darf ich den Hellebardieren sagen, dass sie ihn hereinlassen sollen? Er wartet vor dem Zelt mit seinem Freund, dem Maler Van Orley.«
    »Ich wusste gar nicht, dass sie nach Isabelle noch einen Sohn bekommen hatte. Aber es stimmt, sie ist nach der Festsetzung durch die Regentin lange bei ihrem Vater in Brügge geblieben. Damals habe ich sie aus den Augen verloren.«
    Er überlegte eine Weile und fuhr dann fort:
    »Sie hatte also einen Sohn. Ich kann es nicht erwarten, ihn kennen zu lernen. Holt ihn herein, Jean.«
    Kardinal de Villiers eilte zu der Öffnung in der Zeltwand und rief den Wachsoldaten zu:
    »Geht die beiden Männer holen, die mich begleitet haben. Sie sollen ins königliche Zelt kommen.«
    Louis XII. sah ihnen entgegen. Dem Älteren von beiden sah man an, wie selbstbewusst ihn der Erfolg gemacht hatte. War es ihm etwa nicht gelungen, die Aufmerksamkeit des Papstes auf sich zu ziehen und ihn mit seinem Talent zu beeindrucken?
    Van Orley machte eine tiefe Verbeugung vor dem König, der ihm nur kurz zunickte. Es war der andere Mann, den er gespannt ansah. Er war noch jung, etwa Anfang zwanzig, und hatte die Augen seiner Mutter. Er lächelte sogar wie Léonore.
    »Ihr seid also Jacques Cassex! Der Sohn der Frau, der ich zu einer ziemlich stürmischen Zeit begegnet bin. Die
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