Die seidene Madonna - Roman
umarmte, »habt ihr nach der Bertille geschickt?«
»Wir haben nicht auf dich gewartet!«, meinte Arnaude nur und beugte sich über ihre wimmernde Freundin. »Wir haben Pierrot sogar aufgetragen, die Hebamme aus der Rue Saint-Benoît mitzubringen.«
Vorsichtig befühlte sie Florines Bauch, zog ihr Unterrock und Rock aus und brachte sie behutsam in eine einigermaßen bequeme Lage.
»Ich glaube, sie wartet weder auf die Bertille noch auf die Hebamme. Florine kommt gleich nieder.«
»Verdammt!«, fluchte Mathias und hielt sich die Hände vors Gesicht, das leichenblass war. »Was sollen wir nur machen?«
Jacquou und Arnold kamen angelaufen, während sich Julio und Gauthier im Hintergrund hielten.
»Ihr verschwindet jetzt alle und lasst mich mit Alix allein!«, befahl Arnaude. »Das machen wir lieber ohne euch! Arnold, geh und nimm Guillemin mit. Der hat hier auch nichts verloren - genauso wenig wie du!«
Julio und Gauthier fühlten sich ebenfalls angesprochen und verließen mit den anderen die Werkstatt.
Florine war schweißüberströmt. Sie hatte ihre Beine angewinkelt, und Alix und Arnaude hielten sie auseinander. Als sie sahen, wie sich ihre Freundin mit den Händen in die Decke krallte, die ihr als Kindbett diente, ließen sie sie nicht mehr aus den Augen.
»Die weichen Wollreste werden dein Kind ganz sanft auffangen, Florine. Mach dir keine Sorgen, alles wird gut. Du musst jetzt nur pressen.«
Innerhalb weniger Sekunden waren alle Männer aus der Werkstatt verschwunden. Aber weder die Bertille noch die Hebamme kamen. Alix betete zum Himmel, dass alles gut gehen würde.
»Nur Mut!«, flüsterte Arnaude, die sehr gut verstehen konnte, welcher Schmerz Alix plötzlich überkam.
Es war noch nicht so lange her, seit ihr Kind wenige Stunden nach der Geburt auf dem alten Schloss in Angoulême gestorben war. Louise hatte ihr zur Seite gestanden und versucht, zusammen mit ihren Freundinnen den Neugeborenen zu retten. Und Jacquou war nicht zugegen gewesen! Ihr armer kleiner Kopf, ihre ausgetrockneten, rissigen Lippen, mit denen sie lauthals nach ihm schrie, ohne zu wissen, ob sie ihn je wiedersehen würde!
»Nur Mut, Alix!«, wiederholte Arnaude. »Wir müssen Florine mit all unserer Kraft helfen. Weiter so, Florine! Du musst pressen, meine Liebe, ganz fest pressen!«
Florine schwitzte und keuchte und weinte zugleich. Das war alles so neu für sie. Ihr Kind wollte zur Welt kommen. Ob es ein Junge oder ein Mädchen wurde, war ihr nicht wichtig. Wieder stieß sie einen Schrei aus und richtete sich in einem Kraftakt auf, um ihren gewölbten Bauch sehen zu können. Aber Arnaude riet ihr, sich wieder hinzulegen.
»Drück weiter, Florine. Streng dich an, meine Hübsche! Dein Kind kommt. Ich kann schon die braunen Härchen auf seinem Köpfchen sehen. Halt sie fest, Alix. Sie bewegt sich zu viel.«
Florine heulte vor Schmerz auf und ließ sich wieder zurücksinken. Dann tat sie einen letzten Schrei und brachte mit einer einzigen Wehe und in einem Schwall von Wasser und Blut ihr Kind zur Welt, das heil und sicher in Arnaudes Hände fiel.
»Es ist da!«, jubelte Arnaude. »Schnell, Alix, die Schere! Wir desinfizieren später.«
Die Nabelschnur wurde durchtrennt, und Arnaude hielt das Neugeborene mit dem Kopf nach unten an den Füßen, bis es anfing zu schreien und allen verkündete, dass es am Leben war.
»Es ist ein Junge, Florine! Du hast einen wunderschönen Jungen bekommen!«
Tatsächlich erlaubten es die Aufträge, die Jacquou aus Italien mitgebracht hatte, die Werkstatt zu erweitern. So mussten sie ein zweites Gebäude anbauen, damit sie zwei weitere Hochwebstühle kaufen und aufstellen konnten.
Die zusätzliche Werkstatt verkleinerte den großen Hof mit dem Schuppen erheblich. Aber was machte das schon aus - wenn, wie es sich abzeichnete, die Geschäfte in ein paar Jahren gut liefen, würde Jacquou eben größere Räume mieten, selbst wenn er dann mit der Werkstatt umziehen musste.
Das junge Weberpaar mit seinen sechs Webstühlen, von denen vier Hochwebstühle waren, wurde allmählich immer bekannter. Arnold sollte für die neue Werkstatt verantwortlich sein, unterstützt von Mathias und dem Laufburschen Pierrot, während Jacquou weiter die alte Werkstatt leitete, in der Gauthier, Julio und die beiden Frauen arbeiteten.
Wenn Alix nicht ihre Kartons zeichnete, übernahm sie die Aufgabe, im Umland der Stadt neue Aufträge einzuholen. Die restliche Zeit arbeitete sie Seite an Seite mit Jacquou.
Julio war
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