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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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gerade zu quengeln begann, wusste natürlich auch noch nichts von der Macht, die er einmal über seinen Cousin François haben sollte.
    Alix bewegte sich ganz ungezwungen in dieser Gesellschaft, während Jacquou steif und unbehaglich wirkte. Ganz offensichtlich zog er das Durcheinander in seiner Weberei diesen vornehmen Leuten vor.

    »Weißt du noch, wie wir von Nantes aus ins Val de Loire aufgebrochen sind, mein lieber Jacquou?«, fragte ihn Alix. »Königin Anne de Bretagne brauchte damals neue Stickerinnen. Hätte König Karl VIII. seinen tragischen Unfall in Amboise überlebt, wären wir nicht so lange getrennt gewesen.«
    Jacquou nickte nur flüchtig, weil der König ihn gerade ausgemacht und ihm mit einem Blick bedeutet hatte, ihn treffen zu wollen, ehe Jacquou nach Tours zurückkehrte. Der anerkennende Blick, mit dem der König seine bezaubernde Frau bedacht hatte, war ihm aber auch nicht entgangen.
    Alix hatte ihn ebenfalls bemerkt und warf ihm einen respektvollen, aber verführerischen Seitenblick zu. Dann widmete sie ihre Aufmerksamkeit jedoch Van Orley, der auch geladen war und sich in Begleitung der Weber Van Thiegen und Van den Hecke, die direkt aus Brüssel eingetroffen waren, zu ihnen gesellte. Wie die meisten Monarchen legte auch Louis XII. großen Wert darauf, Künstler an seinem Hof zu versammeln. Maler, Bildhauer, Musiker, Weber, Dichter und Schriftsteller durften weder an seiner Tafel noch auf seinen Jagden fehlen.
    Paganino, der Hofbildhauer des Königs, und Bernardino, der Obergärtner der Königin, nahmen an allen Festen teil, außerdem der Illuminierer der Comtesse d’Angoulême, Maître Testard, und Maître Imbert Chandelier, ihr Orgellehrer. Die Großzügigkeit Ludwigs kannte manchmal keine Grenzen.
    Die Künstler hatten sich in einer Ecke des Salons versammelt und schwadronierten lautstark, weil sie oft unterschiedlicher Meinung waren und sogar der König höchstpersönlich den Grund dafür erfahren wollte.
    »Es freut mich, Euch hier in so guter Gesellschaft wieder anzutreffen, kleine Alix«, sagte der alte Testard. »Darf ich fragen, ob Ihr eure Entwürfe fertiggestellt habt?«

    »Welche Entwürfe?«, fragte der Webermeister Van Thiegen neugierig und drängte sich fast unhöflich zwischen die beiden. »Hält sich Eure Gattin etwa für eine Malerin, mein lieber Cassex?«
    Diese Bemerkung missfiel Alix sehr, und sie beantwortete sie umgehend. Man hatte ihr Gerüchte zugetragen, dass sich Van Thiegen mit den Gebrüdern Mortagne zusammengetan hatte, die Streit mit den Cassex suchten.
    »Ich bin Weberin, Messire, keine Kunstmalerin, genau wie mein Mann, Meister Jacques. Und wie alle anderen Weber aus dem Val de Loire, aus Paris, Flandern oder wo auch immer zeichne ich meine Kartons selbst, wenn ich mir keinen Maler leisten kann, oder wenn keiner in der Nähe ist.«
    »Ihr habt Eure Werkstatt also vergrößert, Maître Cassex!«, wandte sich Van Thiegen nun an Jacquou.
    »Richtig«, antwortete der und spürte den nahenden Streit. »Wie meine Frau schon sagte, verfügen wir nicht immer über die Mittel, die zu Beginn eines neuen Auftrags erforderlich sind. Das kennt Ihr sicher selbst.«
    »Richtig, sehr richtig.«
    Und nachdem seine Genossen nicht nachhakten, beließ er es bei dem Kommentar und bedachte Cassex und seine junge Frau lediglich weiter mit feindseligen Blicken.
    In einer anderen Ecke des Saales beobachtete Louise d’Angoulême aus dem Hintergrund nach wie vor, wie sich Anne und Johanna immer wieder gegenseitig brüskierten. Der Anblick begeisterte sie so, als läuteten bereits ihre Triumphglocken. Louise dachte in diesem Fall nur an ihren eigenen Vorteil. Sollten sich die beiden Herrscherinnen absolut nicht vertragen, konnte sie vielleicht einen diskreten Annäherungsversuch wagen. Anne sprach kein Spanisch, aber Louise beherrschte diese Sprache sehr gut, und ihre Tochter war auf dem besten Wege dazu.

    Unvermittelt nahm sie ihre Tochter an die Hand und ging mit ihr zu der Spanierin. Die steife, mit Gold- und Silberfäden bestickte Robe, die ihr bis zum Hals ging, wirkte reichlich schwer für Johannas zierliche Gestalt.
    Ohne Stolz oder Vorurteil musterten sich die beiden Frauen, als ginge sie die ganze Gesellschaft um sie herum nichts an. Louises Blick drückte ein wenig Neugierde aus. Johannas makellos modelliertes, vollkommen symmetrisches Gesicht schien so teilnahmslos wie eine schön gemalte Maske. Johanna hatte den Gesichtsausdruck einer antiken Madonna und ein Profil wie

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