Die seidene Madonna - Roman
gegangen sind und ich in Ruhe und Frieden meine Andacht halten kann.«
Sogar Louise und Marguerite waren erstaunt über ihr ausgezeichnetes Französisch, ließen sich aber nichts anmerken, weil Johanna sie jetzt der Reihe nach ansah. Schließlich blieb ihr Blick an Alix hängen, die sie bereits kurz zuvor mit einem strahlenden Lächeln bedacht hatte.
»Woher wusstet Ihr denn, dass ich fromm bin?«, fragte sie mit einer Stimme, die auf einmal sehr freundlich klang.
»Offen gestanden war das eine Idee der Comtesse d’Angoulême, Madame«, sagte Alix gerührt. »Mein Herz, mein Können und meine Seele waren nur Werkzeug für diesen Teppich, und ich hoffe sehr, dass er Euch viele Stunden der Beschaulichkeit bescheren möge.«
Sie sah, wie zufrieden Louise mit ihrer Antwort war, die sie ins
rechte Licht rückte. Nun meldete sich Louise ihrerseits behutsam, aber selbstbewusst zu Wort:
»Diese junge Frau will Euch nur ihre Hochachtung bekunden, Majestät. Dabei sollte man sie loben, sie ist eine wahre Künstlerin.«
Johanna wandte sich an Alix und schenkte ihr ein Lächeln, das aufrichtigste des ganzen Abends.
»Wie heißt Ihr?«
»Ich bin die Frau von Maître Cassex, Webermeister aus Tours.«
»Aus Tours, soso. Gibt es dort viele solcher Werkstätten?«
»Ja, unsere Werkstatt ist noch nicht sehr bedeutend, weil Jacquou und ich …«
Sie unterbrach sich verlegen, weil ihr versehentlich der Vorname ihres Mannes herausgerutscht war.
»Jacquou?«, wiederholte Johanna fragend.
»Das ist mein Mann.«
»Aha!«
Dann befühlte sie den Teppich und bewunderte die schönen Farben, die zwischen den Goldfäden leuchteten. Die Herstellung des Teppichs hatte ein kleines Vermögen gekostet, das Louise aber aus der königlichen Privatschatulle bezahlt hatte, die ihr der König zur Verfügung gestellt hatte. Alles Übrige erfüllte zweierlei Zweck: Zum einen half sie damit Alix, ihr großes Talent als Weberin zu beweisen, zum anderen stellte sie sich selbst damit in den Vordergrund und nahm für die Spanierin eine wichtigere Rolle ein als Königin Anne.
»Ich will den Wunsch nach einem Zwischenhalt in Tours äußern, ehe ich nach Spanien zurückkehre. Würdet Ihr mich in Eurer Werkstatt empfangen?«
Alix lächelte sie anmutig und dankbar an.
»Mit dem allergrößten Vergnügen, Majestät!«, antwortete sie.
»Es ist mir eine Ehre. Dann könnte ich Euch die großen Wandteppiche zeigen, an denen wir gerade arbeiten. Sie gefallen Euch sicher.«
»Also abgemacht - ich komme. Meine Leute werden Euch den genauen Zeitpunkt mitteilen. Möglicherweise bleiben Erzherzog Philipp und ich ein oder zwei Tage in Tours. Würdet Ihr mir das Vergnügen machen und mich begleiten, wenn ich einen Ausflug auf Eurem Fluss unternehme - der Loire, die ich noch nicht kenne? Mein Gatte würde sich dafür gewiss erkenntlich zeigen.«
»Euer Wunsch ist mir Befehl, Majestät, und macht mir die größte Freude.«
Dann bedeutete Johanna der versammelten Gesellschaft, nun allein sein zu wollen. Schon damals ließen ihre sonderbar starren schwarzen Augen etwas von dem schrecklichen Wahnsinn erahnen, dem sie später über viele Jahre verfallen sollte.
Juan war ein junger Pferdeknecht aus dem Gefolge von Johanna von Kastilien. Philibert hatte sich - neben einer von Anfang an bestehenden Sympathie - aus dem sehr einfachen Grund mit ihm angefreundet, weil Juan immer wieder erklärte, er wolle nicht zurück nach Spanien.
Philibert vertraute sich François an, und der hatte gleich seiner Mutter von der Sache erzählt.
»Juan behauptet, die spanischen Maultiere sind an steile Gebirge gewöhnt und haben keine Schwierigkeiten mit dem französischen Boden.«
»Wer hat ihm denn aber eigentlich erlaubt, die Maultiere von Johanna von Kastilien zu nehmen?«, wollte Louise wissen und sah ihren Sohn fragend an.
»Ich glaube, sie hat es ihm erlaubt, weil er Euch damit nützlich ist, Mutter.«
Die Comtesse musste lächeln. In der Tat hatte Johanna von Kastilien ein ganz anderes Verhältnis zu ihr als zu irgendjemand anderem hier.
»Das erklärt aber noch nicht, warum Juan im Val de Loire bleiben will.«
»Ich glaube, weil er gern mit Philibert zusammenarbeiten würde.«
»Ich finde, das sind ein wenig viele ›ich glaube‹, mein Sohn. Du musst dich in dieser Angelegenheit genauer informieren.«
»Das mache ich sofort, Mutter.«
Und schon lief er wieselflink zur Tür, hinter der die beiden denkbar verschiedenen jungen Männer warteten. Während der eine
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