Die seidene Madonna - Roman
die Gelegenheit, die ihm die Königin dazu geboten hatte, erwies sich für ihn als echter Glücksfall.
Er ließ sein Heer vor den Toren von Mailand zurück und ritt in Begleitung seiner ergebenen Diener, unter denen auch Georges d’Amboise und der junge Herzog von Nemours waren, mit verhängtem Zügel Richtung Touraine.
Als er das letzte Mal nach Hause gekommen war, hatte der Winter die Stadt fest im Griff gehabt, und die Wasser der Loire
waren am Ufer gefroren. Diesmal herrschte Frühling, und die schönen Tage verhießen einen heißen, trockenen Sommer.
Als die Ankunft der Gäste gemeldet wurde, tänzelten mehr als sechshundert Pferde vor den Toren von Blois mit ebenso vielen Wagen voller Möbel, Tapisserien, Kleidung, Silberzeug und anderen Gerätschaften, die um das Schloss herum verstaut werden wollten. Bald war jedes Fleckchen Erde besetzt, und die Lakaien standen sich in den engen Durchgängen ständig im Weg.
Zu Ehren des spanischen Königspaares funkelte der Logis Royal im Schein tausender Lichter, und sogar die Festungsmauern waren mit zahlreichen Fackeln beleuchtet, die den großen Schlosshof in helles Licht tauchten. Über dem Haupttor und der Statue des Königs, die Louis von dem Bildhauer Paganino hatte anfertigen lassen, prangte sein Wahrzeichen, das goldene Stachelschwein, auf einem lilienübersäten himmelblauen Untergrund.
Als das spanische Herrscherpaar eintraf, war es sehr heiß. Königin Anne hatte eine Abordnung Lanzenreiter geschickt, um das Königspaar unter den lauten Jubelrufen der Bevölkerung zum Schloss zu geleiten.
Johanna von Kastilien saß sehr aufrecht und steif auf ihrer weißen Zelterstute mit purpurroter Montur und schien sich ihrer Rolle nicht recht bewusst zu sein, mit der sie hier das spanische Herrscherhaus vor den Augen der aufmerksamen Franzosen repräsentieren sollte. Dazu sah sie sich auch schlichtweg nicht in der Lage, weil sie ausschließlich ihr Heimatland Spanien liebte und alles verabscheute, was sie davon trennte.
Philipp ritt ein gutes Stück vor Johanna an der Spitze des Zuges. Er saß auf einem Vollblutaraber und verhielt sich wie ihr Gegenstück - er grüßte die Menge herzlich und schwenkte seinen federgeschmückten Hut leidenschaftlich durch die Luft.
Bogenschützen und Schweizer Garde bildeten in zwei Reihen
ein tadelloses schweigendes Ehrenspalier. Die Waffen in der Hand, in farbenfrohen Gewändern und Helme schwenkend musterten sie Johanna, die Spanierin, die der Menge mit so viel abweisendem Stolz begegnete. Obwohl der Bischof von Córdoba, ein enger Freund ihrer Mutter, ihr noch einmal gut zuredete, blieb sie stumm. Ganz verkrampft hielt sie die Zügel ihres Zelters und beantwortete die Saluts und die Hurrarufe zu ihrem Empfang mit starrer Miene.
Louis XII., der gerade noch rechtzeitig in Blois eingetroffen war, bestieg seinen Thron heiter und gelassen. Der gesamte Hofstaat hielt sich bereit. Königin Anne erschien in einem schönen Hermelinmantel, gefolgt von ihren zahlreichen Hofdamen. Als sie an den Zuschauern vorbeischritten, die sich im Saal versammelt hatten, entdeckte Alix unter ihnen Constance, die Tochter von Isabelle, die sie nicht mehr gesehen hatte, seit sie zum ersten Mal Kardinal Jean de Villiers begegnet war.
Als Constance an ihr vorbeikam, lächelte sie Alix zu, die ihr freundschaftlich zuwinkte. Dann nahmen alle Damen aus dem Gefolge der Königin gemächlich ihre Plätze ein.
Alix und Jacquou, den sie in Blois wieder getroffen hatte, hielten sich im Hintergrund; vor ihnen standen die Comtesse d’Angoulême und ihre Kinder. Noch nie zuvor hatten die beiden eine derart prunkvolle Zeremonie gesehen, und schon gar nicht aus nächster Nähe.
Der Geleitzug mit Philipp von Österreich und Johanna von Kastilien traf mit allem Pomp ein. Philipp schritt würdevoll einher - er konnte sich auf seine Ausstrahlung verlassen und wusste, dass alle Augen auf ihn gerichtet waren. Keine der anwesenden Damen hätte seine Schönheit und sein elegantes Auftreten in Abrede stellen wollen.
Auf seinem Wams aus saphirblauem Samt funkelte das goldene
Vlies wie das Versprechen für ein zukünftiges Bündnis. Sein Oberkörper war von Lanzenstechen, Jagden und allen anderen Formen körperlicher Ertüchtigung, die sich für einen vornehmen Herrn ziemten, wohl geformt; seine Beine steckten in strahlendweißen Hosen. Auf seinem schwarzen breitkrempigen Hut, mit dem er der begeistert jubelnden Menge zuwinkte, wippte verwegen eine Pfauenfeder.
Während er
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