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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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verließ, drehte sie sich noch einmal um und sah, wie ihr der kleine Abbé mit seiner Osterluzei hinterherwinkte.
     
    Zu ihrer großen Überraschung wirkte sich die Unterhaltung mit dem Prälaten nicht nachteilig auf ihren Wunsch aus, den Erzbischof zu sprechen. Offenbar hatte er nichts dagegen, ihr dieses Treffen möglich zu machen, obwohl er anfangs so ein griesgrämiges Gesicht gemacht hatte. Wer weiß, dachte sich Alix, vielleicht hatte der kleine Abbé Mirepoix viel mehr Einfluss, als er zugeben wollte!
    Wie auch immer - Alix musste sich nur in die Kirche Saint-Rémi in Reims begeben, die ebenfalls Erzbischof de Lenoncourt unterstand, um ihn dort zu treffen.
    In einem spärlich eingerichteten Sprechzimmer ließ man sie zwei Stunden warten und führte sie anschließend in einen größeren Raum, in dem Altardecken, Messgewänder, Stolen und alles übrige liturgische Weißzeug aufbewahrt wurde und sie sich einige weitere Stunden gedulden musste. Wären da nicht die wunderschönen Stickereien gewesen, die sich Alix natürlich aus der Nähe ansah, auch um sich die Wartezeit zu verkürzen, hätte sie vermutlich die Hoffnung aufgegeben.

    Da sie kein Mensch störte, konnte sie immerhin die Stiche und Farben der Stickereien auf den kostbaren Kirchenstoffen ausgiebig studieren.
    Zum Schluss führte man sie in ein nicht besonders großes, aufwändig eingerichtetes Arbeitszimmer mit einem herrlichen Wandteppich an der Stirnseite. Alix glaubte in ihm einen Teil des Zyklus Der verlorene Sohn zu erkennen. Alles erinnerte sie an dieses Werk: der Glanz der Farben auf dem Millefleurs-Hintergrund und die wohldurchdachte Anordnung von Soldaten, Adeligen, Geistlichen und kleinen Alltagsszenen, die das Ganze auflockerten. Weil sie wieder lange warten musste, hatte sie ausreichend Gelegenheit, den Teppich bis ins kleinste Detail zu begutachten.
    Schließlich erschien der Erzbischof doch noch. Als sie dann vor ihm stand, ahnte sie, dass die Sache viel, viel schwieriger werden würde, als sie befürchtet hatte. Schlimmer hätte es gar nicht kommen können. Lieber hätte sie noch lange gewartet und sich geduldet, wenn sie den Prälaten so unter anderen, besseren Umständen angetroffen hätte. Die ermüdende Auseinandersetzung, die ihr bevorstand, schien nichts Gutes zu verheißen.
    Monseigneur de Lenoncourt sah ihr mit unendlicher Herablassung entgegen. Der Mann war groß gewachsen, hatte ein schmales Gesicht, blondes Haar mit ersten grauen Strähnen - er ging auf die fünfzig zu -, kalte wasserblaue Augen und vornehme weiße Hände, an der einen trug er einen kostbaren Edelsteinring, und sein Gesicht drückte nichts als Hochmut und Verachtung aus.
    »Mit Frauen mache ich grundsätzlich keine Geschäfte«, kam er brüsk zur Sache. »Fasst Euch also kurz!«
    Wie erschlagen von dieser alles andere als freundlichen Begrüßung, die ein Gespräch zwischen ihnen von vornherein unmöglich
machte, versagte Alix die Stimme. Sie schluckte mühsam und machte einen zögerlichen Schritt nach vorn, ohne dass ihr eine Antwort eingefallen wäre.
    Zum Zeichen der Unterwerfung senkte sie den Blick, doch bald schon ließen sich ihre Augen auf den eiskalten blauen Blick ihres Gegenübers ein.
    »Dann will ich doch sehr hoffen, dass ich die Erste sein werde, Monseigneur, und mich dieser Ehre würdig erweisen.«
    »Beeilt Euch, ich habe keine Zeit zu verlieren.«
    »Ich habe eine lange Reise hinter mir, ständig gab es Unwetter!«, sagte sie leise mit erstickter Stimme. »So schnell kann ich Euch mein Anliegen nicht erklären!«
    »Ich kann mich nicht daran erinnern, Euch um eine geschäftliche Unterredung gebeten zu haben!«
    Alix merkte, wie sie rot wurde, riss sich aber gleich wieder zusammen, weil sie wusste, dass sie ruhig Blut bewahren musste. Wie so viele andere wollte sie dieser Mann bestimmt nur prüfen und aus der Fassung bringen. Von der Sorte hatte sie bereits mehr als genug kennengelernt. Sie beherrschte sich und sah dem Prälaten wieder in die Augen, wobei sie sich fest vornahm, ruhig zu bleiben.
    »Eigentlich solltet Ihr ja auch mit meinem Mann verhandeln, Maître Jacques Cassex, von der Gilde der Weberzunft aus dem Norden, und nicht mit mir.«
    »Ich habe nach einem Webermeister aus Anvers verlangt. Meister Cassex hat seine Werkstatt nicht im Norden?«
    »Nein, dort ist er seit zwei Jahren nicht mehr. Unsere Werkstatt ist in Tours.«
    »Dann haben wir uns nichts mehr zu sagen. Es handelt sich hier wohl um ein bedauerliches

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