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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Stirn war voller Falten, und seine Mundwinkel hatten einen strengen Zug, der nur ganz selten einmal verschwand.
    Louis XII. bewegte sich gern und liebte es von Schloss zu Schloss zu reisen wie schon sein Vorgänger, Charles VIII. Wie alle Herrscher seiner Generation war er ein richtiger Nomadenkönig und in erster Linie Reiter; in welchem Zustand Straßen und Wege waren, kümmerte ihn wenig. Wo war er nicht schon an der Seite des verstorbenen Gatten von Louise überallhin gekommen?
    Obwohl von Natur aus eher gutmütig, zeigte Louis XII. doch sicheres Auftreten und eine vornehme und königliche Haltung, die die Menschen beeindruckte, weshalb sie ihn auch aufrichtig bewunderten. Und seine tiefen Narben überall im Gesicht beeinträchtigten diesen Eindruck in keiner Weise - ganz im Gegenteil.
    Dennoch fehlte nicht viel, und der ungestüme und wilde Herzog von Orléans, der sich in seiner Jugend immer wieder gegen den König verschworen hatte, hätte sich vier Jahre zuvor, als er den Thron bestieg, anders besonnen. Als junger Mann hatte er als einer der besten Krieger des Königreichs gegolten, er konnte mühelos ganze Tage im Sattel sitzen, bei den schwierigsten und anspruchsvollsten Turnieren schwungvoll die Lanze führen und war auch jetzt noch immer fast genauso geschickt wie damals.
    Ehemals leichtsinnig und nur auf Luxus und Vergnügen aus und obendrein verheiratet mit Jeanne de France, einer armen missgestalteten und hässlichen Frau, hatte er sich oft mit den hübschesten Mädchen des Königreichs amüsiert.
    Eigentlich war Louis XII. erst durch die junge Anne de Bretagne, die ihn mit ihrer Klugheit und Anmut verführt hatte, vernünftig geworden.
    Mit seinen vierzig Jahren sah er also noch recht gut aus trotz
seiner narbigen, immer breiter werdenden Stirn und der Falten um seine blauen Augen. Sein großer Mund verzog sich mal spöttisch, mal enttäuscht und mal bettelnd, und in seinen Augen blitzte noch gelegentlich die frühere Begierde auf.
    An diesem Morgen hatte Louise das Gefühl, allein die angenehme Kühle im Wald könne ihr die Unterhaltung erleichtern, die sie mit dem König zu führen gedachte. Sie hatte die ganze Nacht damit zugebracht, ihre Argumente zu drehen und zu wenden, bis sie sie wirklich klar und überzeugend fand.
    Louise ging in den Stall und machte den Rappen Orion los, ein sanftes, gelehriges und besonnenes Pferd mit schwarzer Mähne und schwarzem Fell, das im Gegensatz zu Zeus gemächliche und erholsame Ausritte bevorzugte.
    »Nicht böse sein, Zeus!«, bat sie und streichelte seine Flanke. »Heute nehme ich deinen Freund mit. Du musst nur ein bisschen geduldig sein - bestimmt veranstaltet der König bald wieder eine Jagd, bei der du dann ganz in deinem Element bist.«
    Zeus schüttelte den Kopf, was so viel hieß wie: ›Ich bin nicht einverstanden.‹ Aber für den gemütlichen Spazierritt, den Louise vorhatte, war Zeus nun einmal nicht geeignet. Er jagte lieber im gestreckten Galopp durch den dunklen Wald, umringt von der Hundemeute und umgeben von den Rufen der Jäger und der Köche hinter sich, dem Klang der Hörner und Trompeten vor sich. Zeus war wie geschaffen für die Aufregung und das Spektakel einer großen königlichen Jagd.
    Louise ließ also Zeus stehen, der wild die Mähne schüttelte und zornig mit den Hufen scharrte, und kam am Stall von Pegasus, dem Bearner Pferd von François, vorbei. Das Tier war noch jung und voller Übermut und gehorchte wohl nur ihrem Sohn. Sie streichelte ihm die Nüstern und klopfte seinen strammen Hals.
    Mit einem prüfenden Blick vergewisserte sie sich, dass das
Lieblingspferd des Königs nicht da war, nahm dann beruhigt Orion am Zügel und verließ den Stall.
    Als sie auf den Hof trat, über den man zum Auffahrtstor kam, präsentierten die beiden Wachen ihre Lanzen und standen still.
    Philibert, ihr Reitknecht, kam angelaufen. Seine große, schlaksige Gestalt überragte beinahe die Gesindewohnungen, die neben den Stallungen lagen.
    »Madame la Comtesse!«, rief er schon von weitem. »Wolltet Ihr nicht im Laufe des Vormittags ausreiten? Es wird gerade erst hell!«
    »Das macht doch nichts, Philibert. Ich brauche dich nicht. Aber sieh zu, dass sich Zeus wieder beruhigt. Er ist offenbar sehr wütend, weil ich ihn im Stall gelassen habe.«
    Als sie durch das Tor ritt, senkten die beiden Hellebardiere ihre Lanzen und standen wieder still.
    Sie ließ das Pferd im Schritt über die Hauptallee gehen, die zum nahen Wald führte. Orion ging sehr gern

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