Die Seidenstickerin
etwas anvertrauen, wenn du mir versprichst, dass du Coëtivy nie etwas davon sagst.«
»Das schwöre ich Euch beim Haupte meines kleinen Sohns, der gerade gestorben ist.«
Gauthier zuckte zusammen, der Schlag hatte gesessen. Er schüttelte mitleidig den Kopf und schimpfte:
»Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, was dieser alte Starrkopf von Coëtivy eigentlich hat. Du bist schließlich ein in jeder Hinsicht wohlgeratenes Mädchen. Was will er denn sonst für seinen Sohn, dieser Schwachkopf?«
Aber Alix klammerte sich an den Vorschlag, den ihr Gauthier eben erst gemacht hatte, und ließ nicht locker.
»Ich bitte Euch, was wolltet Ihr mir sagen?«
»Ich hatte einmal Besuch von einem Weber aus Enghien, wo Jacquou seine Arbeit fertig stellen sollte.«
»Ja und?«, fragte Alix atemlos.
»Er hat mir etwas ausgerichtet, für den Fall, dass ich dich sehen sollte.«
»Wirklich!«, rief Alix und strahlte vor Freude. »Was hat er denn gesagt?«
»Nur wenige Worte, die dich aber vielleicht beruhigen können.«
»Was denn, Meister Gauthier? Was hat er mir ausrichten lassen?«
»Nun, er hat gesagt, dass er jetzt seine Lizenz hat, aber dass sich seine Rückkehr verzögert.«
Ein Lächeln breitete sich auf Alix’ Gesicht aus.
»Lieber Gott! Er hat mich also doch nicht vergessen.«
»Aber, Alix!«, sagte Arnold verwundert und nahm sie freundschaftlich in den Arm. »Wie kommst du nur darauf, er könnte dich vergessen haben? Du musst doch wissen, dass Jacquou nur dir gehört.«
»Solltet Ihr mir nicht vielleicht noch etwas anderes ausrichten, Meister Gauthier?«
»Doch.« Verlegen nestelte Gauthier am Saum seiner langen Jacke, die er über der Hose trug.
»Bitte! Was hat er noch gesagt?«
»Dass er dich liebt.«
»Ich danke Euch von ganzem Herzen für Eure Hilfe, Meister Gauthier. Das werde ich Euch nie vergessen!«
»Es war wenig genug«, sagte der Weber mit Bedauern in der Stimme.
»Aber es reicht, damit ich neuen Mut fasse. Und das habe ich so sehr gebraucht.«
Der freundliche Mann nickte ihr aufmunternd zu und wollte die beiden zur Tür begleiten, aber das ließ sich seine alte Mutter nicht nehmen und sagte noch:
»Wenn Ihr wollt, könnt Ihr gern zum Nachtessen bleiben.«
»Herzlichen Dank«, sagte Arnold und lächelte Mutter Gauthier an. »Aber das ist nicht nötig, meine Frau erwartet uns. Wir wünschen Euch einen schönen Abend.«
Ehe sie die Tür hinter sich zuzog, wandte sich Alix noch einmal an den Webermeister, der mit leisen Schritten hinter seiner Mutter hergegangen war.
»Nachdem Jacquou jetzt seine Lizenz hat, kann ich es Euch ja sagen, Meister Gauthier; nun muss ich es nicht mehr geheim halten. Wir haben geheiratet, ehe Coëtivy Jacquou mit nach Flandern genommen hat.«
»Ihr seid verheiratet!«
»Ja! Mit einer Sondererlaubnis direkt aus dem Vatikan«, fügte sie hinzu und musste über sein verdutztes Gesicht lächeln, ehe sie, ohne seine Reaktion abzuwarten, leise die Tür hinter sich schloss.
14
Endlich hatte sich Alix mit Amandine wieder auf den Weg gemacht. Sie war voller Zuversicht und das kleine Muli sehr erfreut über diese neue Reise; seine eiligen kleinen Hufe klapperten lustig auf dem Pflaster. Amandine bestimmte das Tempo, und Alix ließ sich gern von ihr durchschütteln.
Vor sich hatte sie ihre Reisetasche mit Brot, getrocknetem Speck und Dörrobst. Die lederne Satteltasche schlug gegen die rechte Flanke des Mulis, und auf der anderen Seite hing ein großer Schlauch mit frischem Wasser, weil Alix immer sehr schnell Durst bekam.
In den Falten ihres weiten Reiseumhangs hatte sie das scharfe kleine Messer versteckt, das ihr Arnold gegeben hatte, als sie beschloss, sich doch allein auf den Weg nach Nantes zu machen. Mit fürsorglichen Worten, begleitet von Arnaudes zustimmendem Nicken, hatte er sie ermahnt, die Waffe zu benutzen, sobald ihr irgendetwas verdächtig vorkommen sollte.
Nach diesem gut gemeinten Rat hatte sich Alix von dem jungen Paar verabschiedet, dem kleinen Guillemin einen Kuss auf die Stirn gedrückt und Amandine bestiegen.
Alix wollte nicht öfter als drei- oder viermal Pause machen. Weil ihr Muli sehr kräftig und robust und seinem Wesen nach sehr ungestüm war, konnten sie am Tag zwischen zehn und fünfzehn Meilen schaffen. Auch wenn Amandines Trab im Vergleich zum Galopp eines Pferdes nicht besonders schnell war, ging sie doch immerhin sehr gleichmäßig, so dass sie den ausgeklügelten Plan ihrer Herrin einigermaßen einhalten konnten. Außerdem konnte
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