Die Seidenstickerin
Degen, Louise, ich weiß, wie es geht. Ich habe Charles oft zugeschaut, wenn er ihn zum Reinigen zerlegt hat.«
Man hatte den Eindruck, Antoinette hätte ihr Leben lang nichts anderes gemacht. Unglaublich, dachte Louise, sie muss jede einzelne Handbewegung von Charles beobachtet und studiert haben.
Und als sie dann die Goldmünzen in den Händen hielten, kannte ihre Freude keine Grenzen; beim Anblick der funkelnden Taler lachten und schrien sie vor Begeisterung, dass die alten Schlossmauern wackelten. Es waren zwar nur wenige Münzen, aber jede einzelne davon war sehr wertvoll. Dach, Hauptturm, Schlossmauer, rechter Flügel, linker Flügel – jetzt war alles gerettet.
»So viele Taler! Und Ihr wolltet ihn mit seinem Degen begraben!«, murmelte Dame Andrée, die gekommen war, um die kleine Marguerite ins Bett zu bringen. François schlief schon in seinem Bett.
»So viele Taler!«, sagte sie noch einmal mit einem Kopfschütteln.
Und da brachen alle drei Frauen in fröhliches Gelächter aus, weil Geld schließlich auch Freude macht.
Es war Herbst geworden, als sich Alix doch endlich verabschiedete. Sie konnte eine kleine, aber gut gefüllte Geldbörse mitnehmen, die ihr Louise zum Dank für ihre Hilfe gegeben hatte. Der Fund der verloren geglaubten Taler war diese kleine Gabe mehr als wert. Dann umarmte Louise sie und sagte:
»Kommt zurück, wann immer Ihr wollt, Alix, unser Schloss steht Euch stets offen.«
»Vielen Dank, Louise, ich werde es nicht vergessen. Inzwischen kann ich Euch ja wenigstens schreiben.«
Noch einmal hatte Louise, die köstlich nach Jasmin duftete, Alix umarmt und an sich gedrückt.
»Ich muss unbedingt wissen, wie Eure Geschichte weitergeht. Besucht uns bald wieder. Und wenn Ihr uns hier in Cognac nicht mehr antreffen solltet, kommt nach Amboise.«
»Ja, sehr gern.«
Antoinette, Jeanne und die Kinder winkten ihr zum Abschied, und sogar die alte Marguerite hatte, auf ihren Gehstock gestützt, betrübt mit dem Kopf gewackelt.
Natürlich war Alix ebenfalls sehr traurig, und die Tränen standen ihr in den Augen, als sie das alte Schloss verließ – bedeutete das für sie doch auch, Abschied zu nehmen von dem Grab ihres Kindes.
Der Herbst neigte sich dem Ende zu, und der Winter machte sich schon mit einem schwachen feuchtkalten Wind bemerkbar. Inzwischen war es achtzehn Monate her, dass Jacquou nach Flandern aufgebrochen war. Ob sie ihn wohl in Tours finden würde?
Alix war mittlerweile wieder ganz hergestellt. Sie ritt auf ihrem Maultier Amandine, und tausend Hoffnungen erleichterten ihr den Weg. Nur der Kummer, dass sie Jacquous Kind nicht in den Armen halten konnte, trübte noch ihre neue Lebensfreude.
Nach ihrer Ankunft in Tours erfuhr Alix von Arnaude, dass Jacquou nicht zurückgekehrt war. Man kann sich vorstellen, was für eine Enttäuschung das für sie bedeutete. Etwas später berichtete ihr Arnold, dass Meister Coëtivy Jacquou verboten hatte, dorthin zu gehen, wo er sie wiedersehen könnte.
Weil er diese Auskunft von Meister Gauthier bekommen hatte, zweifelte Arnold auch nicht an ihrer Glaubwürdigkeit. Doch diese Nachricht schürte natürlich von neuem den Zorn des jungen Mädchens, da sie Unmengen neuer Fragen aufwarf, die Alix nicht klären konnte. Wie sollte sie herausfinden, ob Jacquou noch in Flandern war oder ob er sich mittlerweile in Paris aufhielt?
»Er wird sich schon bei dir melden!«, versuchte Arnaude ihre Freundin zu trösten, als sie sah, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen.
»Das ist wirklich ungerecht!«, brach es aus der heraus. »Doch, sehr ungerecht! Erst verliere ich mein Kind, und dann kann ich Jacquou nicht wiederfinden. Was soll ich denn jetzt machen? Ich kann doch nicht gleichzeitig arbeiten und ihn suchen!«
Sie warf sich in Arnaudes Arme und weinte hemmungslos.
»Was soll ich denn jetzt nur machen?«, schluchzte sie.
Doch dann wischte sie sich zornig die Tränen aus dem Gesicht, weil sie nicht wieder in Niedergeschlagenheit versinken wollte.
»Ich kann unmöglich alle Werkstätten in Flandern und erst recht nicht auch noch die in Paris nach ihm absuchen.«
»Wart’s ab, uns fällt schon noch etwas ein! Ich bin sicher, dass sich früher oder später eine Lösung findet. Aber du musst hungrig sein. Jetzt essen wir erstmal zu Abend, und dann sehen wir weiter.«
Arnaude stellte Teller, Schüsseln und das Holzbrett auf den Tisch, auf dem der Speck geteilt wurde, weil sie etwas für den nächsten Tag übriglassen musste. Dann ging
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