Die Seidenstickerin
machen, kriegen wir viel mehr als die paar Heller, die du vielleicht hast«, sagte der große, magere Kerl, der genauso verwahrlost wie sein Genosse aussah. »Aber wenn du dich stur stellst, zeig ich dir gern, wo’s langgeht.«
Er lachte dreckig und wischte sich mit dem Handrücken genüsslich über den Mund.
»Ich flehe Euch an«, rief Arnaude völlig aufgelöst vor Angst, »bitte, tut meinem Sohn nichts.«
Alix wollte zu ihr, aber sie gingen dazwischen und stießen sie jetzt auch rücksichtslos gegen die Wand.
»Lasst das Kind in Ruhe«, tobte sie und versuchte sich von den Fesseln zu befreien. »Sagt endlich, was Ihr wollt, wenn es nicht unser Geld ist!«
»Deine Freundin interessiert uns nicht. Dich wollen wir, schönes Kind.«
»Mich!«, stammelte Alix. »Aber was wollt Ihr denn von mir?«
Doch dann begriff sie auf einmal, worum es ging.
»Darum ging es die ganze Zeit, nicht wahr?«
Sie vernahm ihr gemeines und siegesgewisses Lachen und begriff, dass Widerstand zwecklos war. Dann sah sie den beiden ins Gesicht und schüttelte ihr offenes Haar herausfordernd. Sie wollte selbstsicher wirken; dabei zitterten ihre Beine, und das bleiche Gesicht von Arnaude, die scheinbar kurz vor einer Ohnmacht stand, war ihr auch keine große Hilfe.
»Jetzt hast du’s scheinbar endlich kapiert, du Luder. Ja, allerdings ging’s vorher auch darum!«, sagte der Dürre. »Auch wenn dir dein verdammtes Maultier geholfen hat – mein Freund stand gleich neben mir. Also sind wir hinter dir her und haben nur einen günstigen Moment abgewartet.«
Der Mann mit dem Umhang legte jetzt Guillemin auf den Tisch, und es dauerte nicht lange, da brüllte der Säugling, weil er nicht verstehen konnte, warum seine Mutter nicht kam und ihn wie sonst auf den Arm nahm und wiegte.
»Dabei hast du ja noch Glück«, meinte der andere und betrachtete gierig die wohlgestalten Körper der beiden Frauen. »Doch, da hast du noch Glück, weil es nämlich geheißen hat, dass wir dich nicht anrühren dürfen.«
Dann ging er zu Arnaude und grinste sie unverschämt an.
»Aber was hindert uns daran, die hier ein bisschen anzufassen? Sieh mal einer an, was die für einen schönen Busen hat! Darf man mal unter den Rock schauen?«
»Lasst sie in Ruhe!«, brüllte Alix und verpasste dem Mann einen kräftigen Fußtritt, der darüber aber nur höhnisch lachte und mit seinen dummen Sprüchen weitermachte.
»Lass sie, du Idiot!«, befahl ihm jetzt der Mann mit dem Umhang. »Du weißt doch, was man uns gesagt hat.«
Er deutete mit dem Finger auf Alix, und ein breites Grinsen ging über sein schlecht rasiertes Gesicht und entblößte seine schwarzen Zahnstümpfe.
»Wenn sie sich beklagt, kriegen wir nichts.«
»Was wollt Ihr von mir?«, schrie Alix und schlug mit den gefesselten Fäusten auf den Tisch.
»Wenn du mitkommst, kriegt die Mutter ihr Kind wieder. Wenn du Geschichten machst, behalten wir es und …«
»Nein!«, brüllte Arnaude und war mit einem Mal wieder voll bei Bewusstsein. Alix spürte, wie sich ihr die Kehle zuschnürte. Ihr Mund war trocken und brannte vor Schmerz.
»Coëtivy hat Euch geschickt, hab ich Recht?«, fragte sie tonlos.
»Ja, das stimmt.«
Gütiger Gott, schon wieder Coëtivy! Nahm das denn überhaupt kein Ende? Wohin sollte das noch führen? Ob sie wohl jemals ihren Mann wiedersehen würde?
»In Ordnung. Lasst das Kind und tut meiner Freundin nichts. Dann komme ich mit.«
»Nein, Alix!«, rief jetzt Arnaude.
Aber Alix streckte nur die Arme aus, damit man ihr die Fesseln abnahm.
»Nehmt mir die Fesseln ab, ich komme mit Euch.«
»Du machst wohl Scherze, kleines Luder«, schnauzte sie der Mann im Umhang an.
»Dann bindet wenigstens meine Freundin los, damit sie ihr Kind beruhigen kann.«
Das machten sie immerhin, doch dann zerrten sie Alix unsanft zur Tür hinaus. Die drehte sich noch einmal um und rief ihrer Freundin zu:
»Mach dir keine Sorgen, meine Liebe. Wenn ich dich das nächste Mal besuche, komme ich mit Jacquou.«
Als sie vor dem Haus waren, verschwand ein lautloser Schatten in der Dunkelheit, aber Alix hatte nichts bemerkt und ließ sich widerstandslos mitnehmen.
Die beiden Männer nahmen Alix in die Mitte, und sie konnte gerade noch erkennen, dass es stockdunkle Nacht und sehr kalt war, obwohl der Frühling eigentlich schon das Ende dieses langen und harten Winters eingeläutet hatte.
Ihr wurde allerdings schnell klar, dass sie die Nacht in dieser unbequemen Kutsche verbringen musste, die sie
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