Die Seidenstickerin
Aber Coëtivy musterte sie nur kalt und feindselig. Obwohl er schon ein paar graue Haare hatte, waren seine dicken Augenbrauen noch ganz schwarz und bildeten zwei bedrohliche buschige Linien. Und an seinem süffisanten Lächeln ließ sich nur erahnen, wie despotisch er war.
Er kam ein paar Schritte auf sie zu und spürte zu seiner größten Befriedigung, dass er sie jetzt nicht einmal mehr scharf ansehen musste, um sie zu vernichten.
»Du hast zwar eine Schlacht gewonnen, aber nicht den ganzen Krieg.«
»Aber das war die entscheidende Schlacht, Meister Coëtivy. Jetzt bin ich verheiratet, und Ihr könnt mir nichts mehr anhaben.«
Doch ihre Stimme klang bitter und unsicher, was nur allzu verständlich war, weil Alix schließlich wusste, dass dieser Mann sie wie einen dünnen Zweig zerbrechen konnte, wenn er nur wollte.
Alix merkte, dass sie seinen wunden Punkt getroffen hatte. Er lächelte zwar spöttisch, überlegte aber wahrscheinlich nur, wie er sie endgültig besiegen könnte. Sie wagte es nicht, dieses scheinheilige Lächeln genauer anzusehen. Aber Coëtivy hatte noch gesunde, gleichmäßige Zähne und wirkte überhaupt sehr stattlich, obwohl er an die sechzig war – ein Alter, in dem andere oft schon ziemlich verunstaltet sind.
»Du suchst Jacquou, meinetwegen! Du wirst ihn auch finden, weil dir meine Frau gesagt hat, wo er arbeitet und ich ihn nicht irgendwo anders unterbringen kann, ohne seiner beruflichen Laufbahn zu schaden.«
Sie funkelte ihn wütend an.
»Ja! Ich werde ihn finden. Was gibt es also noch? Was wollt Ihr dagegen unternehmen?«
»Nichts. Du hast mich ja gerade daran erinnert, dass ihr verheiratet seid und ich nichts machen kann.«
Alix musterte ihn misstrauisch und befürchtete, den Sinn seiner Worte nicht richtig verstanden zu haben.
»Worauf wartet Ihr dann noch? Lasst mich gehen.«
Coëtivy brach in Gelächter aus und setzte sich auf den Hocker.
»Ihr hättet übrigens ruhig ein etwas komfortableres Haus für mich finden können«, sagte sie herausfordernd.
»Das mache ich gern.«
Jetzt ging Alix hoch wie eine wütende Katze. Wenn er nach einer anderen Bleibe suchen würde, wollte er sie also doch nicht freilassen.
»Was wollt Ihr denn mit mir machen, wenn Ihr mich woanders einsperrt?«
»Dich zum Nachdenken bringen.«
Sie stand direkt vor ihm. Wer verpasst jetzt wem eine Ohrfeige?, fragte sie sich, hochrot vor Zorn, ließ dann aber ihre Hand zur gleichen Zeit sinken wie Coëtivy seine.
»Mich zum Nachdenken bringen! Dann wollt Ihr mir wohl einen Vorschlag machen?«
»Ich wusste doch, dass du nicht auf den Kopf gefallen bist. Aber das heißt noch lange nicht, dass du meinen Sohn heiraten und mit ihm leben darfst.«
»Wollt Ihr mich etwa fragen, ob ich unsere Verbindung wieder lösen will, nachdem wir jetzt schon verheiratet sind?«
»Ganz genau! Du bist tatsächlich noch klüger, als ich je gedacht hätte. Das ist genau der Vorschlag, den ich dir – mit einigen kleinen Abwandlungen – machen wollte.«
Sie stürzte sich auf ihn und schlug mit ihren Fäusten wütend auf ihn ein. Alix war in Tränen aufgelöst, schlug um sich und schrie und wusste nicht mehr, was sie tat. Sie spürte, wie sie die Beherrschung über sich verlor, konnte sich aber nicht beruhigen.
»Nein, niemals!«, brüllte sie nur.
»Du hast die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten.«
»Ich will keine von beiden. Geht doch zum Teufel, Coëtivy! Ja, in der Hölle sollt Ihr schmoren!«
»Wenn du mich gern zur Hölle schicken würdest – bitte, das ist dein gutes Recht«, gab Pierre de Coëtivy ganz ruhig zurück. »Ich kann mich jedenfalls sehr gut allein aus den Flammen retten.«
Er stand auf, ging zu ihr, packte ihre Hände und presste sie zusammen. Das tat so weh, dass Alix am liebsten das Gesicht vor Schmerz verzogen hätte.
»Schluss jetzt mit dieser überflüssigen Diskussion«, sagte er. »Hier ist mein erster Vorschlag: Du willigst in die Verstoßung ein.«
»Und unter welchem Vorwand?«
»Nichtvollzug der Ehe.«
Sie lachte hysterisch. Was für ein mieser Kerl! Was für ein Ungeheuer!
»Niemals!«, schrie sie. »Die Gräfin d’Angoulême kann bezeugen, dass ich schwanger war. Und mein Sohn, der Sohn von Jacquou, ist auf ihrem Grund und Boden begraben.«
»Ich gebe dir eine Werkstatt als Entschädigung, und du kannst einen Webermeister einstellen.«
»Niemals!«, brüllte sie wieder.
»Dann bleibt nur noch der zweite Vorschlag, der allerdings meinem Sohn schaden würde. Nun ja, sein
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