Die Seidenstickerin
besonders nett von euch, dass ihr euch über eine arme unglückliche Frau mit einem Buckel lustig macht«, schimpfte Arnaude, die jetzt auch nicht mehr ganz bei der Sache war.
»Egal!«, entgegnete Benoîte, »die Bretonin hat jedenfalls gewonnen. Rom hat die Zustimmung gegeben, dass sie den König heiraten darf.«
»Der Papst hat da überhaupt nichts gemacht«, widersprach Thibaud und ließ seine Schussfäden sein. »Das hat er sich einfach rausgenommen, der König, dass er die Witwe heiratet.«
»Hätte er aber nicht tun dürfen«, fand die junge Aliette.
Arnaude, Benoîte und Aliette waren die drei Arbeiterinnen, die in der Werkstatt angestellt waren, und Benoîte hatte wohl als Älteste unter den Frauen das Sagen.
»Mir ist Louis jedenfalls lieber als Charles«, erklärte Landry und warf einen Blick zu Thibaud, der sich noch immer nicht wieder an die Arbeit gemacht hatte.
»Und warum ist dir Louis lieber als Charles?«
»Das weiß ich auch nicht so genau! Ich glaub einfach, der ist uns näher.«
»Wem uns?«
»Na uns, eben. Dem Volk!«
Thibaud schaute schnell zu Jacquou, der aber so tat, als wäre er ganz in seine Arbeit vertieft, und nahm dann sein Schiffchen wieder zur Hand.
»Vielleicht hast du Recht«, gab er zu. »Vielleicht ist er weniger … weniger …«
»Auf alle Fälle kann uns Louis auch nicht mehr Taler für seine Kriege aus der Tasche holen als Charles«, schnitt ihm Landry das Wort ab.
»Das ist wahr!«, pflichtete ihm Benoîte bei. »Oder was haben wir, wir kleinen Leute, eigentlich von den ganzen Herrlichkeiten gesehen, die er aus Italien mitgebracht hat? Einen Haufen Geld hat das gekostet, und das hat eigentlich uns gehört – so ist das nämlich!«
Jetzt war es an der Zeit, dass sich auch Jacquou zu Wort melden wollte, aber nicht um über Charles, Louis und auch nicht über dessen arme hässliche und bucklige Frau zu reden. Er ging durch die Werkstatt und an den Arbeitern vorbei, die vor dem Metallrahmen mit den Kettenfäden standen.
»Du musst deine Landschaft in drei bis vier Tagen fertig haben, Landry. Vergiss das nicht. Gauthier hat es dir gestern gesagt.«
»Ja, ja, ich weiß schon«, gab Landry zur Antwort.
Und dann kehrte wieder Ruhe ein. Seit Jacquou an Selbstvertrauen gewonnen hatte, fiel ihm alles viel leichter, und die anderen merkten schon, dass er bald ein Meister war.
Kurz nach Mittag kam Arnold zurück, und Jacquou zeigte ihm die Arbeit, die auf den großen Webstuhl gespannt war.
»Gauthier wird zufrieden sein, jetzt nimmt die Sache Gestalt an.«
An den Flachwebstühlen, die wagrecht bedient und auf denen die kleineren Werke ausgeführt wurden, arbeiteten die Frauen, während die Männer die vertikalen Webstühle bedienten, die manchmal mehr als zwei Meter hoch waren.
Arnold zwinkerte der jungen Arnaude zu. Sie hatte ihn drei Jahre zuvor geheiratet, als er noch ein kleiner Lehrling war, der bei Coëtivy und Gauthier lernte. Damals hatte er den Auftrag gehabt, die Webstühle zu reparieren, wenn etwas nicht funktionierte, und keiner war geschickter im Herausfinden der Ursache für die Fehler. Diese ganzen Kniffe hatte er nun Jacquou beigebracht.
Als Arnold ganz nah an Arnaude vorbeiging, streifte sein Blick den gerundeten Bauch seiner jungen Frau. Sie erwartete nämlich auch ein Kind, weshalb sie nicht mehr lange arbeiten konnte. Das würde schwierig werden. Er verdiente zwar gut, aber nicht genug für drei.
Dann ging er zu Benoîte und Aliette, die einen farbenprächtigen Wandbehang mit Stickerei verzierten. Das Motiv war eine Schäferidylle: Grüne Wiesen, auf denen vereinzelt Schafe grasten. Schäfer und Schäferinnen tummelten sich an einem Fluss, der von Weiden gesäumt war, die ihr Blattwerk über einem Teppich aus bunten Blumen entfalteten. Die Grundfarbe des Wandbehangs war dunkles Nachtblau, und auf den breiten Bordüren außen herum wanden sich kunstvolle Arabesken in anmutigem Schwung und leuchtenden Farben.
Arnaude war gerade mit dem überraschten Gesichtsausdruck einer Schäferin beschäftigt, die einen jungen Hirten ansieht, der ihr den Hof macht. Weil sie das Gesicht ihrer Schäferin noch zu wenig ausdrucksvoll fand, ließ sie sich von ihrem schöpferischen Instinkt leiten, den sie sehr treffend und akkurat mit der Nadel in die Tat umsetzen konnte, und veränderte es entsprechend.
Als Arnold zu ihr trat, blickte sie kurz auf und lächelte ihn an, hielt sich aber nicht länger damit auf, weil das Gesicht ihrer Schäferin fertig sein musste,
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