Die Seidenstickerin
zusammen, weil ihr gar nichts anderes übrig blieb.
»Ich … Ich hab gedacht, Ihr bleibt auf Eurem Bock.«
»Nun, wie du siehst, bin ich aber nicht da geblieben. Ehrlich gesagt, beobachte ich dich schon die ganze Zeit. Was willst du hier?«
Auf die Gefahr hin, alles zu verderben, entschied sie sich, die Wahrheit zu sagen. Wenn der Mann annahm, sie hätte etwas aus der Kutsche stehlen wollen, wäre das noch viel schlimmer.
»Ich will aus dem Kloster fliehen«, gestand sie und sah dem Kutscher in die Augen.
Dann schwieg sie und wartete seine Reaktion ab. Und auf einmal erinnerte sie sich an diesen Mann. Aber wo hatte sie ihn schon mal gesehen? Ja, natürlich! Das war doch damals, als sie Nantes verlassen musste, und es war nicht besonders schwierig, sich an die genaueren Umstände zu erinnern.
Der große, kräftige rothaarige Mann hieß Anselme. Aber wieso fuhr er jetzt die Kutsche der Gräfin de La Trémoille, wo er doch damals auf Jacquou aufpassen sollte?
Der Gedanke an ihren Jacquou brachte sie so aus der Fassung, dass sie erstmal zu gar keiner Entgegnung fähig war, als der Mann laut schimpfte und die Nonnen auf sie aufmerksam zu machen drohte.
»Warum solltest du denn fliehen wollen? Das glaub ich nicht. Wahrscheinlich wolltest du etwas stehlen?«
Alix legte nur den Finger auf den Mund.
»Wen wolltest du bestehlen, du kleines Luder?«
»Niemanden«, flüsterte sie. »Ich flehe Euch an, bitte, schreit nicht so laut, sonst sperren sie mich in ihre finsterste Zelle ein. Seid Ihr nicht Anselme, der Kutscher von Jacquou?«
Und jetzt erkannte er sie endlich auch.
»Die kleine Alix!«, rief er. »Das ist ja allerhand!«
»Ich flehe Euch an, seid nicht so laut! Ich will fliehen, und deshalb wollte ich mich im Wagen der Gräfin de La Trémoille verstecken. Es gibt keinen anderen Ausweg für mich. Ich hab schon alles versucht. Das letzte Mal haben sie mich auf der Straße nach Tours erwischt.«
Auf einmal wirkte Anselme beinahe gutmütig; seine Stimme klang freundlicher, und er schwang auch nicht mehr drohend die Faust.
»Da weiß ich jetzt gar nicht, was ich machen soll. Das ist ganz schön heikel, was du da von mir verlangst. Was werden die Nonnen denken? Man wird mir vorwerfen, dass wir unter einer Decke stecken, wenn sie dich kriegen.«
»Genau, und deshalb dürfen sie mich nicht kriegen. Und mit Eurer Hilfe geht das auch; Ihr müsst mir nur noch diese Tür öffnen, die ich nicht aufkriege.«
Als er noch zu überlegen schien und sich wohl nicht entscheiden konnte, bat sie noch einmal mit flehender Stimme:
»Bitte, bitte, helft mir. Ich sterbe, wenn ich noch einen Tag länger in diesem schrecklichen Kloster bleiben muss.«
Erst schüttelte er den Kopf, dann blickte er zur Klosterpforte, durch die Isabelle gegangen war, und flüsterte schließlich:
»Na gut, aber schnell, schnell, Dame Isabelle kann jeden Augenblick kommen. Steig ein, ich kümmre mich um den Rest.«
»Ich hab doch schon gesagt, dass ich die Tür nicht aufbekomme«, sagte sie ungeduldig. »Sie klemmt irgendwie.«
Da beeilte er sich, drückte kräftig auf den Türgriff, öffnete die Tür und ließ Alix endlich in die Kutsche klettern. Kaum hatte sich die Tür hinter ihr geschlossen, kam die Gräfin auch schon aus dem Sprechzimmer. Als sie neben ihm stand, räusperte er sich zunächst unentschlossen, nahm dann aber doch seinen ganzen Mut zusammen:
»Ich glaube, Euer Pferd sehnt sich nach Freiheit. Seht nur, Dame Isabelle, Framboise ist nun mal kein Kutschpferd. Sie ist nicht gern angespannt. Wollt Ihr sie nicht vielleicht ein bisschen reiten? Ich könnte hinter Euch herfahren.«
»Ach was«, meinte Isabelle, »sie kann warten, bis wir in Anjou sind. Sobald wir dort sind, mache ich mit ihr einen langen Ausritt durch die Wälder um meinen Landsitz.«
»Ich glaube aber, sie will nicht so lang warten.« Anselme blieb hartnäckig und schüttelte seinen struppigen roten Schopf. »Schaut doch, wie ungeduldig sie ist!«
Dann machte er sich daran, Framboise abzuspannen und reichte Isabelle die Zügel.
»Nur ein paar Meilen, dann spannen wir sie wieder vor die Kutsche.«
Es war nicht weiter schwierig, die leidenschaftliche Reiterin Isabelle zu überreden. Sie nahm die Zügel und schwang sich auf ihre Zelterstute, die sofort zufrieden den Kopf schüttelte. Das Gespann machte sich auf den Weg, aber kaum hatten sie Amboise hinter sich gelassen, als Isabelle es sich anders überlegte.
»Halt an, Anselme. Ich bin doch ein wenig müde und
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