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Die Seidenstickerin

Die Seidenstickerin

Titel: Die Seidenstickerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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damals befürchtet, er würde ihretwegen überhaupt nicht mehr arbeiten können.
    Hatte er wirklich so große Angst, dass Jacquou schwächer als er sein könnte? Ja, davon war Meister Coëtivy felsenfest überzeugt. Und deshalb machte er jetzt auch kurzen Prozess mit dieser Liebesgeschichte, die ihm zu entgleiten drohte.
    Der große Webermeister hatte nämlich bereits alles geplant für diesen Sohn, dessen wahre Herkunft er allen – und ganz besonders Dame Bertrande – verschwiegen hatte. Jacquou sollte später einmal eine reiche Kaufmannstochter heiraten und mit ihrer Mitgift sein Erbe aufbessern. Und diese Frau würde er schon auftreiben, schließlich kannte er mehr als einen Meister aus Brüssel oder Brügge, der sofort einverstanden wäre, seine Tochter mit dem Schützling von Pierre de Coëtivy zu verheiraten.
    »Wo bringt Ihr mich denn hin?«
    »Ich bringe dich zu Meister Yann, den du ja kennst, und mit dem ich reden will. Er nimmt dich bestimmt wieder in seine Werkstatt, und dann wirst du bald eine gute Stickerin.«
    »Ich will keine Stickerin sein, und ich weigere mich, nach Nantes zu gehen.«
    Beinahe wäre sie ihm entwischt, aber er konnte sie gerade noch am Arm festhalten. Sein Griff war stark, fest und unerbittlich.
    »Ich hasse Euch, Meister Coëtivy«, schrie sie und machte sich so endlich frei von ihrer Angst, ihren Sorgen und ihrer vorsichtigen Zurückhaltung.
    »Du kannst schreien so viel du willst, meine Kleine. Hier hört dich kein Mensch. Der Wald verschluckt deinen Lärm.«
    »Bestimmt gibt es einen Reisenden, der mich hört und anhalten und nachsehen wird, warum ich so schreie.«
    »In dem Fall würde dich das Kloster erwarten, und nicht die Werkstatt von Meister Yann.«
    Alix schwieg. Diese Antwort war vernichtend. Und der Mann war durchaus in der Lage, seine Drohung wahr zu machen. Also musste sie sich etwas anderes einfallen lassen.
    »Meister Coëtivy – Ihr seid ein Ungeheuer!«
    Er sah sie an und brach in Gelächter aus, in ein viel zu lautes Gelächter, in dem eine gewisse Verlegenheit mitschwang, die beinahe nach Angst klang.
    »Ja, natürlich, das kannst du gern von mir denken, wenn es dir Spaß macht.«
    »Es macht mir überhaupt keinen Spaß, und ich würde Euch nur zu gern etwas anderes sagen. Aber es ist nun einmal die Wahrheit, deshalb kann ich es nicht ändern. Also wiederhole ich: Ihr seid ein Ungeheuer und ein erbärmlicher Vater.«
    Diesmal wurde ihr Gegenüber blass, und und sein Lachen verging ihm auf der Stelle.
    »Ja!«, sagte Alix, von dieser unerwarteten Wendung wie entfesselt. »Ein abscheulicher Vater! Ein Vater, den nicht einmal ich haben möchte, ich Waisenkind. Und es ist wirklich sehr traurig, dass Ihr und der Vater von Jacquou ein und derselbe sind. Ihr habt ihn wirklich nicht verdient.«
    Er griff nach ihren Handgelenken und drückte sie so grob, dass sie zu weinen begann.
    »Lasst mich los, und hört Euch an, was ich auf dem Herzen habe, Meister Coëtivy. Ich weiß nämlich manches, was Ihr nicht wisst. Jacquou achtet Euch, er bewundert Euch, aber er liebt Euch nicht.«
    »Ich verbiete dir …«
    »Ihr habt mir gar nichts zu verbieten. Eure Härte, Eure übertriebene Strenge und Euer Ehrgeiz ersticken doch jedes andere Gefühl. Meint Ihr etwa wirklich, dass Jacquou, sobald er erfahren hatte, dass Ihr sein Vater seid, Dame Bertrande nichts davon erzählen wollte? Glaubt Ihr wirklich, dass er nie von dem Tag geträumt hat, an dem er allen erzählen dürfte, dass er Euer Sohn ist?«
    Zu ihrer eigenen Verblüffung sah sie, dass sie voll ins Schwarze getroffen hatte.
    »Glaubt Ihr wirklich, dass Jacquou nach diesen Enthüllungen, die ihn erschreckt haben, sich nicht gewünscht hat, dass Ihr ihm Eure väterliche Liebe versprecht, so wie er Euch bereits seine kindliche Liebe geschenkt hatte?«
    »Dann hat er dir also alles erzählt«, sagte er nur leise.
    »Ja! Und er hat mir auch von seiner Mutter Léonore erzählt. Habt Ihr diese Frau auch so wenig geliebt, dass Ihr es jetzt wagt, das Gefühl zu zerstören, das uns vereint – Jacquou und mich?«
    »Was weißt du denn schon von Liebe, du kleines Dummchen?«
    »Und Ihr? Was bedeutet sie Euch im Vergleich zu beruflichem Erfolg und künstlerischem Ruhm?«
    Jetzt weinte sie wieder herzzerreißend.
    »Wir reiten jetzt weiter, und Ihr bringt mich zu Meister Yann«, sagte sie. »Ich werde älter, und bald bin ich eine der besten Stickerinnen von Meister Yann. Aber eins verspreche ich Euch, Meister Coëtivy, nämlich dass

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