Die Seidenstickerin
mit ihrer Mutter, Léonore, so viele Schwierigkeiten mit sich gebracht hatte. Damals, als die Italienkriege des früheren Königs, Charles VIII., sie nach Neapel, Rom und vor allem nach Mailand geführt hatten, wo sie Ludovico Sforza, genannt il Moro, begegnet war.
Isabelle seufzte. Sie konnte nicht an Mailand denken, ohne sofort wieder den feurigen Blick seiner schwarzen Augen auf sich zu spüren – die ihre Tochter im Übrigen von ihm geerbt hatte. Wie hätte sie seine Samthände und die Zärtlichkeiten vergessen sollen, die er ihr in einer Mischung aus Französisch und Italienisch ins Ohr geflüstert hatte?
Hätte es damals nicht dieses Liebesabenteuer in Mailand gegeben, und bestünde nicht die Möglichkeit, Ludovico eventuell dort wiederzutreffen, könnte Isabelle ihre Tochter natürlich ohne weiteres nach Rom begleiten. Jean fände das sicherlich wunderbar. Aber das Schicksal hatte anders darüber entschieden, und Julien de La Trémoille konnte diese Reise nicht erlauben, die viel zu heikel für sein Eheleben war.
Isabelle sah ihre Tochter verständnisheischend an, aber Constance hatte noch nicht aufgegeben.
»Jean passt auf mich auf, das hat er mir versprochen.«
»Jean wird nicht auf dich aufpassen, weil du nicht fährst.«
Der Prälat hielt noch immer Constances Hand fest. Er beobachtete sie schweigend und suchte nach den passenden Worten, um ihren Zorn nicht noch weiter anzufachen.
»Was willst du denn überhaupt so allein in Rom?«
»Ich suche meinen Vater.«
»Dein Vater ist tot«, wandte Isabelle ein.
»Das ist nicht wahr. Lüg mich nicht an, Mutter. Ich habe doch gehört, wie Julien sagte, dass er dich nie wieder nach Italien reisen lassen würde, damit du ihn nicht treffen kannst.«
Julien! Ihr Mann, der Graf de La Trémoille, der lange geglaubt hatte, Constance wäre die Tochter von Kapitän Ligny, Isabelles erster großer Liebe aus der Zeit, als sie noch die Freundin von Königin Anne war.
Letztere hatte ihre bevorstehende Hochzeit mit Julien de La Trémoille verkündet, ohne vorher das Einverständnis von Isabelle eingeholt zu haben. Isabelle war mit der italienischen Expedition auf den Galeeren von Kapitän Ligny gefahren, in Begleitung von Jean, der damals noch ein einfacher Prälat, und von Louis d’Orléans, der noch nicht König von Frankreich war; als sie nach Frankreich zurückkehrte, ließ Isabelle ihre Tochter Constance, die sie eben zur Welt gebracht hatte, in Rom zurück mit dem Versprechen, sie nachzuholen, sobald sie Julien geheiratet hatte, worauf die Königin bestand.
»Constance«, mahnte Jean behutsam, »warum willst du nicht gehorchen? Weißt du eigentlich, wie gern Isabelle auf den Rat ihrer Mutter gehört hätte, wenn sie ihr der Himmel nicht genommen hätte?«
»Ich bin aber nicht sie, und sie ist nicht ich!«, rief Constance.
»Aber alle jungen Mädchen müssen ihren Müttern gehorchen.«
»Ich nicht«, gab sie mit gerunzelter Stirn und zorniger Miene bockig zurück.
»Aber warum denn nicht? Constance, warum?«, fragte der Prälat noch einmal.
»Weil sie mich in Unkenntnis lässt.«
»Und wenn sie dir nun besser erklären würde, wie sich alles ereignet hat, würdest du dann auf sie hören?«
Für einen Augenblick war Constance um eine Antwort verlegen, was bei dem rebellischen, aufgeweckten Mädchen sehr ungewöhnlich war. Also schwieg sie und sah Jean an.
»Möchtest du, dass sie dir einiges erklärt?«
Constance sah ihre Mutter an, die ohne weiteres Zögern begann:
»Dazu müssen wir sechzehn Jahre zurückgehen, Constance. Damals war ich noch nicht mit Julien verheiratet, den mir Königin Anne aber bestimmt hatte. Ich schätzte ihn als angenehmen Gefährten, der sich gern in meiner Gesellschaft am Hofe vergnügte. Aber ich glaube nicht, dass ich ihn geliebt habe.«
Das konnte sie Constance nur so ruhig erzählen, weil ihr Sohn Olivier nicht bei ihnen war. Wer sie aber so gut kannte wie Jean, hörte an ihrer Stimme, wie bewegt sie war; er wusste auch, dass es für sie nicht besonders angenehm sein dürfte, über ihre Vergangenheit zu sprechen.
»Der Herzog von Orléans hatte mir einen Auftrag erteilt; ich sollte mich nach Mailand zu Ludovico Sforza begeben, dem Regenten auf dem Mailänder Thron, um ihn zu einem Gespräch zu überreden, zu dem er nicht bereit war, weil er lieber mit Charles, dem König von Frankreich, reden und verhandeln wollte.«
Sie sah ihre Tochter an, die ihr schweigend zuhörte.
»Ich bin ihm in die Falle gegangen, Constance.
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