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Die seltene Gabe

Die seltene Gabe

Titel: Die seltene Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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Ausrede für meine Mutter ausdenken.« Armand überlegte eine Weile, dann schüttelte er den Kopf. »Nein.« »Nein?« Ich furchte die Stirn. »Was heißt Nein?« Konnte es sein, dass das alles doch kein Traum war? »Dass ich dich noch nicht gehen lassen will.« »Na toll. Und wohin willst du mich verschleppen? Nach Südamerika? Australien? Wie wär’s mit einer Südseeinsel? Du hast doch wohl ’nen Knall!« Er antwortete nicht, schien nachzudenken. Ein dürrer Junge kam gemächlich auf einem Skateboard vorbeigerollt, reglos darauf stehend wie eine Statue. Ein Hauch eines herben Parfüms kam von ihm herübergeweht. Mein Verdacht, dass alles womöglich doch die Wirklichkeit war und ich das hier tatsächlich erlebte, erhärtete sich zusehends. Mir wurde wieder mulmig. Telekinese, um Himmels willen. Kein Mensch würde mir auch nur ein Wort glauben, das stand mal fest. »Komm«, sagte Armand schließlich und setzte sich in Bewegung. Ich folgte ihm, innerlich konfus, wütend auf ihn und auf mich und auf die ganze Welt, eisern und beleidigt zu jeder Bemerkung schweigend, die er machte, wäh rend wir durch die Straßen gingen. Schließlich ließ er es bleiben, welche zu machen, und so wanderten wir, uns gegenseitig anschweigend, durch die hohen, schmalen Straßen und Gassen, die voller geparkter Autos standen, ansonsten aber verlassen dalagen. Die trübe Beleuchtung ließ eingezäunte Abstellplätze, abbruchreife Häuser und düstere Höfe zu einer unheimlichen Kulisse verschmelzen. Armand interessierte sich auf einmal für Wirtshäuser. Er spähte durch schmierige Fensterscheiben in die übelsten Spelunken, öffnete hier und da gar die Eingangstür, um sich kurz dahinter umzusehen, ehe er sie wieder schloss. »Ich denke, wir haben kein Geld mehr?«, rief ich irgendwann in Erinnerung. »So ist es«, nickte Armand und setzte seinen Marsch unbeeindruckt fort. Ich wunderte mich, ja, aber ich würde nicht nachfragen. Nein. Wenn er eine Inspektionsrunde durch die Gasthäuser Stuttgarts machen wollte, von mir aus. Schließlich schien er gefunden zu haben, was er suchte. Er bedeutete mir ihm zu folgen und wir betraten einen kleinen Garderobenvorraum. Hinter einer Glastüre waren laute Gespräche, Gläserklirren und das Dröhnen einer Musikbox zu hören, eine andere Tür ging zu den Toiletten ab, und an einer freien Wand hing der Gegenstand, für den Armand sich interessierte: ein Spielautomat. Ich begriff überhaupt nichts mehr. Armand blickte den bunten Kasten aus Glas und Metall mit starren, fasziniert glänzenden Augen an, las die Spielanleitung durch, fuhr behutsam mit den Fingern über Schalter und Leuchtanzeigen und zog schließlich den Geldbeutel – meinen Geldbeutel – hervor und fischte eine Münze heraus. Was hatte das zu bedeuten? Waren Spielautomaten Armands heimliches Laster? War er der Spielsucht verfallen, derart, dass er sogar seine Flucht unterbrach? Er schien wahrhaftig alles um sich herum zu vergessen, als er die Münze einwarf und die bunten Walzen sich wild zu drehen begannen. Ab und zu drückte er die Stoptasten, Walzen hielten an, zeigten Ziffern, Spielkartensymbole, farbige Bildchen. Und dann hielten sie schließlich alle drei an, alle drei mit demselben Symbol: ein Glückskleeblatt. Ich zuckte zusammen, als in dem Automaten eine Glocke ertönte, und Armand auch. Dann rasselten Münzen in den Ausgabeschacht und ich begriff: Hauptgewinn! Armand schaufelte das Geld mit raschen, zielstrebigen Bewegungen in seine Jackentaschen. Währenddessen setzten sich die Walzen schon wieder in Bewegung. Erneut kam ein Hauptgewinn, aber diesmal ertönte die Glocke nicht. Mir dämmerte allmählich, dass Armand überhaupt nicht spielte. Er beherrschte das Innere des Spielautomaten telekinetisch, zwang die Maschine, einen Gewinn nach dem anderen auszuschütten.
    Wahrscheinlich war es nicht leicht, deshalb musste er sich derartig konzentrieren. Er gewann noch ein paar Mal, dann schien er plötzlich genug zu haben, wandte sich ab, zog die Tür auf und ließ mich vor sich her auf die Straße treten. »Das war großartig!«, brach ich voller Bewunderung unser Schweigen. »Warum hast du nicht weitergemacht?« »Der Automat war so gut wie leer«, erwiderte Armand ruhig. »Leer?«, fragte ich verblüfft. »Woher weißt du das?« »Ich kann Gegenstände, die ich nicht sehe, telekinetisch abtasten. Fast so, als hätte ich sie in der Hand.« Ich seufzte. »Ach so. Hätte ich mir ja denken können.« »Man gewinnt bloß so wenig an

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