Die seltene Gabe
diesen Automaten«, fuhr Armand missmutig fort. »Und nur Münzen. Ich könnte heute Nacht die Automaten von ganz Stuttgart leeren, aber dann hätte ich einen Schubkarren voller Metall. Damit kann man praktisch nichts anfangen. Ich müsste Roulette spielen – dabei zu gewinnen wäre auch nicht so schwer wie an diesen komplizierten Geräten.« »Na, dann suchen wir doch am besten nach einem Spielcasino«, schlug ich vor. »Dann bist du morgen früh Multimillionär, kannst dir ein Flugzeug chartern und fliegen, wohin du willst.« Armand grinste schief. »Ich fürchte, das ist nicht so einfach, wie es klingt.« »Schön, aber was willst du dann machen? Wir können doch nicht die ganze Nacht ziellos durch die Stad t laufen. « »Hmm. Wir haben noch zwei Karten nach Dresden , nicht wahr? « »Nach Dresden!«, ächzte ich. Ich hatte gehofft, er würde diesen Plan aufgegeben haben. »Was willst d u denn dort, um Himmels willen? « »Dresden ist gut. Weit weg. Dicht an der Grenze z u Polen und Tschechien. Von da hat man jede Meng e Möglichkeiten. « Ich schüttelte den Kopf. »Das kannst du vergessen . Nach dem, was du da abgeliefert hast, bewachen di e jetzt den Hauptbahnhof garantiert so gut wie di e Bank von England. « »Kann sein«, nickte Armand. »Aber ehe ich die Karte n wegwerfe, würde ich das gern erst mit eigenen Auge n sehen.« Er setzte sich in Bewegung . »Was heißt das? Wohin willst du? « »Zurück zum Hauptbahnhof. Komm! « Er war verrückt. Er rannte in sein Verderben. Abe r von mir aus – es war schließlich seine Flucht, nich t meine. Mir konnte das gleichgültig sein. Hauptsache , dieses gespenstische Abenteuer fand endlich ein Ende. Inzwischen war mir fast egal, auf welche Weise .
Kapitel 8 |
»Na bitte«, triumphierte ich. »Polizei, wohin das Auge reicht. Völlig aussichtslos, da hineinkommen zu wollen.« Wir hatten den Hauptbahnhof in weiter Entfernung umrundet, sorgsam darauf bedacht, keinen Argwohn zu erregen. Dabei hatte ich den Bahnhof erstmals von außen zu Gesicht bekommen. Es war ein großes, klotziges Gebäude, aus wuchtigen Steinquadern erbaut wie eine lang gestreckte Trutzburg. Auf dem Dach des zugehörigen Turms drehte sich langsam ein neonblau leuchtender Mercedesstern, und vor dem Bau raste auf mehreren Spuren der Verkehr. Wir hatten nach und nach alle Eingänge zum Bahnhof erkundet, von denen es eine ganze Menge gab, eine Reihe davon unter der Erde, wo sich eine ausgedehnte Fußgängerzone erstreckte. Die kleineren Zugänge wurden von schweren Stahlplatten versperrt, hastig gekritzelte Schilder wiesen den Weg zum nächsten benutzbaren Eingang. Dort wiederum standen wenigstens zehn Polizisten, vermummt und gepanzert, mit martialischen Sprechfunkeinrichtungen auf dem Kopf, den Bügel mit dem Mikrofon direkt vor dem Mund, und es sah aus, als müsse jeder von ihnen alle Augenblicke Meldung machen, dass er noch wohlauf war.
Und jeder Jugendliche wurde angehalten, sein Ausweis kontrolliert. »Warum sind das so viele?«, überlegte ich laut. »Denken sie, wenn sie genug Polizisten hinstellen, kannst du sie nicht alle auf einmal ausschalten?« Armand nickte. »Allerdings bezweifle ich, dass man den Männern das gesagt hat.« »Aber die müssen sich doch trotzdem wundern. So ein Aufmarsch wegen eines einzigen Jungen – ist da nicht das Risiko groß, dass jemand zu viele Fragen stellt? Dass auf diese Weise etwas durchsickert?« »Die Leute vom Institut riskieren es, weil sie Angst haben, dass mich jemand vor ihnen findet.« »Wer denn?«, fragte ich erstaunt. Armand zupfte an seiner Perücke. »Im Institut herrscht ständig Angst, dass einer der parapsychisch Begabten entführt wird. Wahrscheinlich sogar zu Recht; soweit ich das mitgekriegt habe, scheint es üblich zu sein, dass ein Land dem anderen die PSI-Leute stiehlt. Einer der Pfleger hat mir einmal erzählt, dass ihre Organisation einen anderen Telekineten aufgespürt hätte, in Südafrika, aber ehe sie ihn von dort entführen konnten, hat ein anderer Geheimdienst ihn ihnen vor der Nase weggeschnappt.« »Also haben sie Angst, dass du zu einer anderen Macht überlaufen könntest?« »Darauf kannst du wetten, dass sie diese Angst haben«, nickte Armand grimmig. »Obwohl die absolut unbegründet ist. Keine Macht der Welt bringt mich mehr lebendig in ein Forschungsinstitut.« Er schwieg, kaute auf seiner Unterlippe, betrachtete die gepanzerten Polizisten vor ihrer stählernen Barriere und meinte schließlich: » Eh bien , ich
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