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Die seltene Gabe

Die seltene Gabe

Titel: Die seltene Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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das?« »Du machst Witze.« »Nein, ehrlich.« Ich runzelte die Stirn. »Vielleicht ist das in Frankreich anders, aber hier zu Lande reden die meisten Leute in unserem Alter über fast nichts anderes. Außer über Filme oder Computerspiele oder so.« »Ich habe keine Ahnung, wie das in Frankreich ist«, sagte Armand. »Wahrscheinlich so ähnlich. Aber ich weiß kaum noch, wie es ist, in eine normale Schule zu gehen. Ich habe im Institut gelebt, seit ich zehn bin. Und da hat mich nie jemand nach meiner Familie oder meinem Musikgeschmack gefragt.« »Echt? Habt ihr euch denn nie unterhalten? Wollten die nie wissen, wie es dir geht?« »Doch. Die wollten eine Menge über mich wissen. Alles. Bloß lief das so, dass sie mir Fragebögen vorgelegt haben, die ich ausfüllen sollte. Und wenn einer der Psychologen kam, um sich mit mir zu unterhalten, dann sagte er so was wie ›Nun, Armand, erzählen Sie mir doch etwas über Ihre telekinetischen Fähigkeiten. Wann haben Sie sie zum ersten Mal bemerkt? Wie äußern sie sich? Was tun Sie, wenn Sie sie einsetzen wollen?‹ Lauter solche Fragen. Und an der Tür zu meinem Zimmer stand einfach ›Armand Duprée, Telekinet‹.« »Die haben tatsächlich ›Sie‹ zu dir gesagt?« »Und ob. Vom ersten Tag an«, nickte Armand. »Die wussten schon, wie sie mich nehmen mussten, die Herren Psychologen.« »Das ist doch verrückt, oder? Einen Zehnjährigen zu siezen.« »Das hatte Methode. Was glaubst du, wie ich mich gefühlt habe, als da eine ganze Armee weiß bekittelter Doktoren daherkam und mich ehrfürchtig mit ›Sie‹ und ›Monsieur Armand‹ anredete? Die mussten mich nicht einsperren, im Gegenteil. Bis vor ein paar Wochen hätten sie mich aus dem Institut fortprügeln müssen, damit ich gehe.« Ich musterte ihn verstohlen. Es interessierte mich brennend, was da passiert sein mochte vor ein paar Wochen, aber ich wagte nicht danach zu fragen. »War das die Methode, mit der sie dich festhalten konnten?«, fragte ich stattdessen. »Psychologische Tricks?« »Ja. Und Verführung durch blanken Luxus. Ich hatte ein riesengroßes Zimmer, mit Farbfernseher, Stereoanlage und anderem Krempel. Unaufhörlich sind Pfleger und Krankenschwestern und Haushälterinnen um mich herumgeschwirrt und haben mir jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Jeden Tag Lieb lingsspeise, wenn ich wollte. Jeder behandelte mich, als sei ich der König der Welt.« Er lachte schmerzerfüllt auf. »Vor lauter Einbildung habe ich überhaupt nicht gemerkt, dass ich in einem goldenen Gefängnis lebte. Dass meine Leibwächter mich nicht beschützten, sondern bewachten. Dass es nicht normal ist, sein Leben ausschließlich auf einem von fünf Meter hohen Stacheldrahtzäunen umschlossenen Gelände zu verbringen, egal, wie groß es ist, und nie einen Fuß nach draußen zu setzen. Dass es krank ist, wenn jeder Schritt, den man tut, von einer Überwachungskamera aufgezeichnet wird.« »Meine Güte«, murmelte ich unwillkürlich. Ich schwieg betreten. Auch Armand schien Erinnerungen nachzuhängen, wenn ich auch nicht hätte sagen können, welchen. »Wie hat eigentlich alles angefangen?«, fragte ich schließlich. Er ließ sich Zeit, ehe er anfing zu erzählen. »Ich bin in einem winzigen Nest in der Nähe von Avignon geboren und aufgewachsen. Normalerweise hätte sich nie jemand vom Institut dorthin verirrt. Als sich meine telekinetische Begabung zeigte, standen die Chancen gut, dass nie mehr daraus werden würde als eine dieser merkwürdigen Geschichten, die man sich mancherorts erzählt. Ein paar Leute hätten sich gewundert, aber heute wäre alles weitgehend in Vergessenheit geraten. Und meine Kräfte wären wahrscheinlich schon wieder verschwunden.«
    »Verschwinden die denn wieder?« »Ja, so viel weiß man inzwischen. Parapsychische Kräfte, die nicht geschult werden, verschwinden in der Regel nach dem Ende der Pubertät wieder.« »Dann musst du ja gar nicht für immer untertauchen?!« Armand schüttelte den Kopf. »Wie gesagt, das gilt, wenn diese Kräfte nicht geschult werden. Meine aber sind geschult und sie haben den stärksten Grad der Ausprägung erreicht, der je bekannt wurde. Sie werden nie wieder verschwinden.« »Hätte ja sein können.« »Keine Chance.« Ich räusperte mich. »Wie muss man sich das vorstellen? Wie zeigt sich eine telekinetische Begabung?« »Durch Zufall. Eines Tages brachte mir meine Mutter bei, wie man Mensch-ärgere-dich-nicht spielt. Und dabei stellte sich heraus, dass mein Glück mit

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