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Die seltene Gabe

Die seltene Gabe

Titel: Die seltene Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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»Keine Ahnung. Ic h weiß nicht. Vielleicht . . . weil . . . « »Vielleicht weil was? Weil du Angst vor mir hattest. « »Quatsch«, versetzte ich ärgerlich. Nein, nicht ärgerlich. Verwirrt über mich selber. »Es sind ja wohl auc h noch andere Gründe denkbar, dass ich dich nicht verraten habe! «
    »Nämlich?«
    »Vielleicht war es, weil ich . . . weil du . . . weil ich dachte . . .« Ich wurde rot. Ich spürte es. Heiß und unaufhaltsam wallte es in mir auf. Was für ein Glück, dass das Abteil nur schwach von der Nachtlampe erhellt wurde. »Vielleicht, weil ich dich . . . irgendwie . . . gern habe.« Es war heraus. Es war heraus und ich konnte nicht glauben, dass ich es gesagt hatte. Dass meine Zunge eher davon gewusst haben sollte als mein Hirn. Ich drückte mich tief in meinen Sitz, ins Dunkle, und wagte kaum mehr ihn anzusehen. Und ich hatte keine Vorstellung, was nun geschehen würde. Im Nachhinein betrachtet, muss ich zugeben, dass ich natürlich sehr wohl eine Vorstellung hatte. Heldin und Held gestehen sich gegenseitig ihre Liebe. Sie sinken einander in die Arme. Ihre Lippen bewegen sich aufeinander zu, von unwiderstehlichen Kräften magnetisch angezogen. Kuss. Und Abblende. Ich hatte eindeutig zu viele Liebesfilme gesehen. Armand, nach einer Schrecksekunde, fing nur spöttisch an zu lachen. »Ehehe!«, meckerte er, lehnte sich zurück und legte in einer unerträglich arroganten Geste die gespreizten Fingerspitzen gegeneinander. »So ist das!« Und dann fügte er mit einem desinteressierten Grinsen hinzu: »Weißt du, von mir aus kannst du mich ruhig gern haben.« Oh, wie ich ihn hasste! Ich hätte ihm die Augen auskratzen können für diese Antwort, mit meinen bloßen Fingernägeln und ohne Reue. Falls da je irregeleitete Zuneigung gewesen sein sollte und nicht bloß eine nachmitternächtliche Wahnvorstellung, dann war sie jedenfalls wie weggewischt. Je länger ich ihn zornbebend anstarrte, desto widerlicher, unerträglicher und Ekel erregender kam er mir vor. Was glaubte er eigentlich, wer er war, bloß weil er diese telekinetische Begabung hatte? Ein Halbgott? Ein Übermensch, der es sich erlauben konnte, auf die Gefühle anderer Menschen zu pfeifen? Wütend und beleidigt, starrte ich aus dem Fenster, wild entschlossen, kein einziges Wort mehr mit ihm zu wechseln, nicht einen Laut, in meinem ganzen Leben nicht mehr. Und ich würde das Weite suchen, sobald er das nächste Mal auch nur eine Sekunde lang nicht aufpasste. Ohne mit der Wimper zu zucken. Und ich würde auf das nächste Polizeirevier marschieren und alles haarklein erzählen, was er gemacht und was er mir erzählt hatte. Der Zug wurde langsamer, draußen tauchten Häuserschluchten und Straßen auf. Armand griff wieder nach dem Faltblatt und studierte es. »Das muss Ansbach sein«, sagte er, als sei überhaupt nichts gewesen. Er sah auf die Uhr. »Null Uhr sechsundfünfzig, ja. Wir sind pünktlich.« Ich schwieg. Der Zug hielt. Armand stand auf, schob das Fenster herunter und sah hinaus auf den Bahnsteig, um zu sehen, wer ein-und wer ausstieg. Viele konnten es nicht sein. Ich sah nur einen Mann mit einem Aktenkoffer, der im Weggehen den Mantelkragen hochschlug. Es wehte kalt herein. Endlich der Pfiff, und es ging weiter. Armand schob das Fenster wieder zu und konsultierte erneut das Faltblatt. »Der nächste Halt ist Nürnberg gegen halb zwei. Und dann ist erst mal lange Ruhe bis zum nächsten Halt um fünf Uhr zwölf in Halle. Ein seltsamer Name für eine Stadt, Halle. Man stellt sich vor, dass die ganze Stadt überdacht ist.« Ich schwieg immer noch. Er schüttelte den Kopf. »Jedenfalls sind das über dreieinhalb Stunden Fahrt ohne Aufenthalt. Da könnte man zum Beispiel ein kleines Schläfchen machen.« Ich schwieg eisern. Er legte das Blatt beiseite und gähnte herzhaft. »Kurzum, bis jetzt läuft alles bestens.« Er sah mich forschend an, als fiele ihm erst in diesem Moment auf, dass ich aufgehört hatte, mit ihm zu reden. »Sag mal, das, was du da vorhin gesagt hast, das sollte doch ein Trick sein, oder?« Ich explodierte. Ich sah rot. Ich hatte nur noch einen einzigen, alles überwältigenden Wunsch: ihm wehzutun. »Oh, ja, natürlich! Vergiss es!«, platzte ich mit hohntriefender Stimme heraus. »Vergiss es. Es war nur ein Trick, natürlich, ein dummer, kleiner Trick. Es ist mir nur so herausgerutscht, aber selbstverständlich! Oder glaubst du im Ernst, ich würde dir um den Hals fallen, weil deine telekinetischen

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