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Die seltene Gabe

Die seltene Gabe

Titel: Die seltene Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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würde«, gestand Armand. »Befreundet war ich nur noch mit denjenigen, die von meiner Überlegenheit rückhaltslos überzeugt waren; den anderen würde ich es eines Tages schon noch zeigen.« »Du musst damals ja wirklich widerlich gewesen sein«, schüttelte ich den Kopf. Er lächelte. Das erste Mal, seit er zurückgekommen war. Und das erste Mal so, dass man das Gefühl hatte, er freue sich. »Das hast du nett gesagt.« »Wieso?«, wollte ich wissen. »Weil es so klingt, als sei ich heute nicht mehr widerlich.« In jeder anderen Situation und jedem anderen gegenüber hätte ich darauf mit einem schnippischen Witzchen reagiert, aber in diesem Moment konnte ich nicht anders, als auch zu lächeln und zu sagen: »Nein, heute bist du nicht mehr widerlich.« Worauf er mich fassungslos ansah, aber nichts mehr sagte. Es war eine von diesen Sekunden, von denen man sagt, ein Engel gehe durchs Zimmer. Hier ging er durch ein Zugabteil. Dann räusperte Armand sich. »Wie auch immer, damals jedenfalls war ich unausstehlich. Ich stelle mir vor, dass so etwas normalerweise nicht lange gut geht. Ich hätte es gebraucht, einen mächtigen Dämpfer verpasst zu kriegen. Stattdessen erlebte ich eines Tages den Triumph, von dem ich geträumt hatte, den Triumph, die Zweifler unwiderruflich von meiner Großartigkeit zu überzeugen und es den Neidern ein für alle Mal zu zeigen. Was natürlich zur Folge hatte, dass ich endgültig überschnappte.« »Klingt übel.« »War es auch. Mein Lehrer hatte – was niemand wusste – Briefe an alle möglichen staatlichen Stellen geschrieben und eines Tages betrat er das Klassenzimmer in Begleitung dreier vornehm gekleideter Männer, die, wie er sagte, aus Paris kamen, von einem Institut für Parapsychologie, und eigens angereist seien, um den jungen Armand Duprée zu begutachten. Die ganze Klasse saß mit offenem Mund da und guckte mich an. Ich musste mitgehen in den kleinen Raum nebenan, in dem unser Lehrer unsere Schulhefte verwahrte und das Unterrichtsmaterial und so weiter, und mich untersuchen lassen. Sie hatten ein großes Gerät mitgebracht, das in einem abgeschlossenen Glaszylinder auf Knopfdruck würfelte, ohne dass jemand die Würfel in die Hand bekam, und sie sagten mir, ich solle versuchen, die Ergebnisse zu beeinflussen. Mit großen Formularen, auf denen sie alles festhielten, standen sie um mich herum, und ich tat, was sie verlangten. Etwas anderes hätte ich nicht gewagt. Anfangs klappte auch nichts, weil ich zu nervös war, aber beim zehnten Wurf oder so hatte ich endlich die fünf Sechsen, die sie wollten, und einer von ihnen sagte C’est chouette! und machte aufgeregt Notizen. Dann lieferte ich ihnen noch mal fünf Sechsen und noch mal, und auch mal fünf Dreien, als sie das wollten, und mit jedem Wurf gerieten sie noch mehr aus dem Häuschen. Schließlich sagten sie es unserem alten Lehrer, der sofort hinüber ins Klassenzimmer stürmte und es hinausposaunte: Ich sei das größte telekinetische Talent, das ihnen jemals begegnet sei.«

Kapitel 12 |
    Ich sog scharf die Luft ein. »Ich ahne schon, was dann passiert ist.« »Ich wollte, ich hätte damals auch etwas geahnt. Stattdessen erzählte ich den dreien, nachdem sie mir meinen Ausnahmestatus sozusagen höchstamtlich bestätigt hatten, beiläufig, dass es mir zu Hause schon mehrmals gelungen war, abends das Licht in meinem Zimmer telekinetisch auszuschalten, indem ich mich auf den Schalter bei der Tür konzentrierte. Das versetzte sie vollends in Verzückung, und ich, kleiner Scheißkerl, der ich war, genoss es, neue Bewunderer gewonnen zu haben.« Armand rieb sich die Schläfen, als schmerze die Erinnerung daran. »Aber die beließen es eben nicht dabei, mich zu bewundern. Stattdessen rannten sie los und überredeten meine Eltern mich in ein Internat für parapsychisch begabte Kinder zu geben. Ich würde ein Stipendium erhalten. Meine Eltern stimmten natürlich zu.« »Und du? Das klingt, als hätte man dich überhaupt nicht gefragt«, wunderte ich mich. »Doch, aber weil ich erst nicht wollte, haben alle so lange auf mich eingeredet, bis ich dann doch ging. Du kennst das in Deutschland wahrscheinlich nicht, aber in Frankreich ist es nun mal enorm wichtig, auf den richtigen Schulen gewesen zu sein. Ein Stipendium, hör mal!« Er lachte unlustig auf. »Natürlich war es in Wirklichkeit überhaupt keine Schule, sondern die Tarnung des Instituts für militärische PSI-Forschung.« »Aber deine Eltern haben dich doch bestimmt mal

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