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Die Seltsamen (German Edition)

Die Seltsamen (German Edition)

Titel: Die Seltsamen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bachmann
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Sprecher dieses Mal zwischen jedem Wort keuchend nach Luft schnappte. »Das kleine Halbblut hat ein Haus gebaut, schau doch. Ein Witz von einem Haus, um eine Fee zu fangen. Ich bin drauf g’stoßen, als ich mich hier umg’schaut hab. Und bin drauf rumgetrampelt, ha ha! Bis es zu Bruch ’gangen is’.« Ein Kichern folgte.
    Bartholomew grub seine Fingernägel in seine Handflächen und drückte sich flach gegen das Schrägdach. Die Stimme kam aus der Kammer unter dem Giebel. Aus seiner Kammer.
    »Und der dumme Mischlingsbub glaubt, es hätt geklappt! Er glaubt, ich wär sein Feensklave.« Ein Keuchen. »Er hat mir Fragen gestellt. Er hat mir einen Brief g’schrieben, mit lauter Wörtern, alles furchtbar hochtrabend. Er wollt wissen, was etwas in der Sprache der Hochelfen bedeutet und…« Ein weiteres Keuchen. »…das ist das Seltsamste dran. Er war…«
    »Das ist mir egal«, unterbrach eine zweite Stimme. Sie war ebenfalls sehr leise, aber auf eine völlig andere Art. Sie war barsch, gefährlich leise und entsetzlich kalt. »Ist der Mischling das, was ich brauche, oder ist er es nicht? Ich kann mir keine weiteren Fehler erlauben. Nicht von dir, nicht von irgendjemandem. Ich habe dich angeheuert, damit du sicherstellst, dass die Mischlinge für unsere Zwecke taugen, dass sie den Bedürfnissen des Herrn Justizministers entsprechen.« Die Stimme wurde lauter, wütend. »Und neunmal hintereinander bekomme ich nur Plunder von dir! Wenn das Kind wieder unbrauchbar ist, kostet es mich meinen Hals.«
    »Na ja, du hast doch so viele Hälse, da kommt’s auf…«
    Ein zorniges Zischen, und Bartholomew sah einen Schatten über einen Balken zucken. »Halt den Mund. Ich sage dir, halt den Mund! Es steht zu viel auf dem Spiel. Hast du alles genau mit der Liste abgeglichen, die mein Herr dir geschickt hat? Hast du die Liste überhaupt erhalten? Bei den Botenvögeln des Justizministers kam es in letzter Zeit zu… zu Unregelmäßigkeiten. Er kann sich nicht sicher sein, dass sie alle ihr Ziel erreicht haben.«
    »Ja, ich hab den Vogel bekommen. So wie immer.«
    Bartholomew schob sich ganz langsam weiter. Schaute durch eine Lücke zwischen den Balken. Ihm stockte der Atem. Es war der Lumpenkerl, daran konnte es keinen Zweifel geben. Die Kreatur entsprach ganz genau Hetties Beschreibung. Sie war klein und missgestaltet, und sie stand völlig reglos da, das Kinn auf der Brust. Ein zerfledderter Zylinderhut war ihr bis tief in die Stirn gerutscht. Ansonsten trug sie nur eine Weste und eine ausgefranste Jacke. Keine Hose. Bartholomew sah sofort, warum. Von der Taille abwärts war die Kreatur kein Lumpenkerl, sondern eine Lumpenziege. Ihre Hinterbacken waren von dichtem schwarzem Fell bedeckt, das mit Schmutz und Blut verkrustet war. Zwei Hufe lugten unter zotteligen Fesseln hervor. Der Lumpenkerl war ein Faun.
    »Na schön«, sagte die kalte Stimme. »Ich glaube dir. Mir fehlt die Zeit, oder ich würde diese Angelegenheit selbst untersuchen.« Bartholomew konnte nicht sehen, wer diese Worte gesprochen hatte, denn derjenige stand hinter der Giebelwand verborgen und Bartholomew durfte es nicht wagen, noch näher heranzugehen.
    Die Stimme sprach weiter, kaum mehr als ein Flüstern. »Ich warne dich, sluagh. Sollte der Justizminister noch einmal enttäuscht sein von dem, was du lieferst – wenn der Mischling wieder nichts taugt –, werde ich dir mehr als nur ein paar Zähne ausschlagen.«
    Der Lumpenkerl scharrte mit den Hufen und sagte nichts.
    »Ist das klar?« Die Stimme war zu Eis geworden.
    Bartholomew wollte nicht hören, was noch folgen würde. Ganz langsam wich er zurück zur Falltür. Alles war anders geworden. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Jetzt ging es nicht mehr nur um einen albernen Hausgeist. Er wollte nicht daran denken, was diese Kreaturen ihm antun würden, wenn sie ihn dabei ertappten, wie er lauschte. Er kletterte in den dritten Stock hinunter und eilte die Treppe hinab.
    In seinem Kopf drehte sich alles. Es hat also gar nicht geklappt. Die Einladung. Das jämmerliche Haus mit den Kirschen in den Wänden. Das war alles umsonst. Der Lumpenkerl war gar nicht sein Hausgeist. Der Lumpenkerl war ein gedungener Spion. Der sicherstellen sollte, dass Bartholomew brauchbar war, dass er zu etwas taugte, nicht wie die anderen neun. Neun. Der Sohn der Buddelbinsters war einer davon gewesen. Anders konnte es nicht sein. Und jetzt war Bartholomew Nummer zehn. Das Blatt Papier auf dem Dachboden. Er krempelte einen

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