Die Sexklinik
Sie sich doch eine andere Wohnung.«
»Das kann ich nicht, weil mein
Vater ein solcher Idiot war. Er hat Ellen bis zu meinem 25. Geburtstag als
Treuhänderin meines Erbanteils eingesetzt, und 25 werde ich erst in drei
Jahren. Deshalb hat sie Verfügungsgewalt über mein Geld und alles andere, und
mir bleibt gar nichts anderes übrig, als bei ihr zu wohnen.«
»Sie könnten sich ja immer noch
einen Job suchen.«
»Arbeiten!« In ihrem einäugigen
Blick stand nackter Terror. »Wollen Sie damit sagen, ich soll jeden Morgen zur
selben frühen Stunde aufstehen und dann den ganzen Tag in einem muffigen Büro
sitzen?« Sie schauderte. »Sie müssen den Verstand verloren haben.« Mit einem
Schluck trank sie aus und hielt mir das leere Glas hin. »Schenken Sie mir mehr
Brandy nach, oder ich kriege am ganzen Leib eine Gänsehaut.«
»Ich hole Ihnen lieber einen
Pullover«, regte ich an.
»Nein, nur einen Brandy«,
befahl sie entschlossen. »Wenn ich einen Pfleger brauche, dann rufe ich das
Rote Kreuz.«
Ich mixte einen neuen Drink und
zog mich zur Couch zurück. Sie riß mir das Glas aus der Hand und trank es halb
aus, während ich mich neben ihr niederließ.
»Hat Ellen Ihnen von der Klinik
erzählt?« erkundigte ich mich.
Sie nickte. »Etwa gegen sieben
gestern abend hat mein Schwesterherz angefangen, sich vollaufen zu lassen. Drei
Stunden später war sie so blau, daß sie kaum noch gehen konnte. Plötzlich fing
sie an, mir ihre Lebensgeschichte zu erzählen, in einer Reihe
unzusammenhängender Episoden. Ellens Grundproblem ist, daß sie schon immer
lesbisch veranlagt war, sich aber niemals damit abfinden wollte.«
»Und aus diesem Grund suchte
sie die Klinik auf?«
Tadelnd musterte sie mich über
den Rand ihres Glases hinweg. »Wollen Sie die Story hören, oder wollen Sie sie
selbst erzählen?«
»Ich will sie hören«, sagte ich
schwach.
»Dann halten Sie Ihren großen
Mund, Sie Sittenstrolch!« fuhr sie mich an. »Ellens beste Busenfreundin war
Beverly Hamilton. Beverly machte Ellen eines Abends in ihrer Wohnung mit einem
Mann namens Nigel Morgan bekannt. Er verliebte sich in sie, als gingen morgen
früh die Frauen aus, und sie mochte ihn auch. Aber damit änderte sich nichts an
ihrem Grundproblem. Morgan erzählte ihr schließlich, daß er einen brillanten
Arzt namens Landel kenne, der eine Klinik einrichten und sich auf die sexuellen
Probleme der Frauen spezialisieren wollte, und zwar mit Hilfe von männlichen
Substituten. Nigel war von Landel so beeindruckt, daß er ihn sogar finanziell
unterstützen wollte. Als dann später die Klinik gebaut und eröffnet war, kam
meine Schwester auf die großartige Idee, sich selbst dort kurieren zu lassen.«
»Aber Ellen behauptet doch, daß
sie Baker niemals kennengelernt hat«, gab ich zu bedenken.
»Dazu komme ich gleich.« Sie
trank ihr Glas aus und hielt es mir wieder hin. »Wissen Sie was, Sie sind nicht
nur ein Sittenstrolch, sondern auch der schlechteste Gastgeber, der mir jemals
in meinem kurzen Leben begegnet ist.«
Ich füllte ihr Glas nach, weil
es mir die einfachste Methode schien, auch den Rest der Geschichte von ihr zu
hören; ich drückte lediglich die Daumen, daß sie nicht das Bewußtsein verlor,
ehe sie zum Ende gekommen war.
»Wo war ich stehengeblieben?«
fragte sie nach dem ersten langen Schluck.
»Ellen entschloß sich also, in
die Klinik zu gehen«, half ich nach.
»Das habe ich schon erzählt«,
tadelte sie mich. »Wenn Sie dauernd versuchen, mich durcheinanderzubringen,
Boyd, dann erzähle ich Ihnen gar nichts mehr.«
»Tut mir leid«, brummte ich,
»wahrscheinlich habe ich zuviel getrunken.«
»Das ist eine gefährliche
Gewohnheit«, sagte sie. »Ellen hatte gestern nacht auch zuviel getrunken, und —
ob Sie’s glauben oder nicht — bevor ich wußte, wie mir geschah, hörte ich ihre
ganze Lebensgeschichte.«
»Und zwar in einer Reihe
unzusammenhängender Episoden«, seufzte ich.
»So kann man in etwa sagen«,
nickte sie. »Nur daß ich selbst es etwas besser ausgedrückt hätte.« Sie nahm
wieder einen Schluck Brandy. »Woher beziehen Sie Ihren Schnaps, Boyd? Mir ist
noch nie eine so schlechte Scotch-Imitation untergekommen.«
»Der ist schon echt«, beruhigte
ich sie. »Und sogar in Italien auf Flaschen gezogen.«
»Na ja...« Sie verzog den Mund.
»Dann haben Sie ihn wahrscheinlich in ein schmutziges Glas gefüllt.«
»Wenn Ellen Baker in der Klinik
niemals begegnet ist«, nahm ich verzweifelt den Faden wieder auf, »wer hat
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