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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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Blei gepfeffert.«
     Sie sah sich nach uns um, die sorgfältig gezupften Brauen spöttisch
     hochgezogen. »Haben Sie Hunger?«
    »Nein, danke«,
     sagte ich. »Wir wollten nur einen Blick auf Granvilles Papiere
     werfen, dann nehmen wir Sie nicht länger in Beschlag.«
    »Ich kenne Ihre Arbeit,
     Katharine. Ich bin ein Fan von Ihnen. Und Maxines Fürsprache ist auch
     viel wert. Doch ich kenne Sie nicht. Und ich öffne meine Schatztruhe
     nicht für Leute, die ich nicht kenne.«
    Ich wollte protestieren, doch
     sie hob die Hand.
    »Ich will Ihnen einen
     Handel vorschlagen, Katharine Stanley. Ich stelle Ihnen drei Fragen. Wenn
     Sie sie richtig beantworten, zeige ich Ihnen, was Sie sehen möchten.« 
    Für wen hielt sie sich?
     Für einen Wüsten -Dschinn? Eine gute Fee? Eine Kachina,
     herabgestiegen aus den Wolken? War ich etwa ein Magnet für Verrückte
     geworden? Doch ich nickte.
    »Dann kommen Sie mit.«
     Wir verließen das Hotel, und sie ging auf die heruntergekommenen Hütten
     am anderen Ende der Straße zu.
    Ben legte mir die Hand auf
     die Schulter. »Kate. Vielleicht laufen wir geradewegs in einen
     Hinterhalt.«
    »Sie sagten, es wäre
     uns niemand gefolgt.«
    »Ich sagte, ich habe
     niemand gesehen.«
    »Wenn Sie wollen,
     beenden wir unseren Vertrag, und Sie können gehen. Das ist der Stand
     der Dinge, wie Sie sagten. Aber ich muss Granvilles Papiere sehen.«
     Ich drehte mich um und folgte Athenaide. Hinter mir hörte ich, wie
     Ben seufzte, dann kam auch er.
    Am Ende der Straße
     passierte Athenaide die Längsseite einer großen Baracke.
     Dahinter schlugen wir einen Pfad ein, der durch die Mesquite-Sträucher
     führte. Auf dieser Seite wirkte die Wüste grüner,
     gepflegter, und nach einem kurzen Stück ging der sandige Pfad in
     einen gepflasterten Weg über. Dann machte der Weg einen Knick, und plötzlich
     standen wir auf einer sorgfältig angelegten Terrasse. In großen
     Terrakotta-Töpfen wuchsen üppige magentafarbene Bougainvilleen.
     Zwei italienische Brunnen füllten die Luft mit sanftem Geplätscher.
    Doch am eindrucksvollsten war
     der Blick. Die Terrasse fiel steil in ein tiefes ausgetrocknetes Flussbett
     ab, und unten rollte sich die Ebene aus wie ein wogender Teppich aus
     ockerfarbenen, braunen und rosa Flicken, hier und da mit blassem,
     staubigem Grün getupft. Schon jetzt stieg die Hitze flimmernd zum
     kornblumenblauen Himmel auf. Im Norden erhob sich eine kleine Hügelkette,
     die nach Osten höher wurde, als würde sich eine riesige Kreatur
     aus der Erde graben, um nach der aufgehenden Sonne zu greifen.
    »Können Sie mir
     sagen, wo wir hier sind?«, fragte Athenaide. Sie legte den Kopf
     schief. »Die korrekte Antwort ist nicht New Mexico.«
    Ich drehte mich um und
     blickte zum Haus. Von hier erinnerte nichts an die heruntergekommenen
     Baracken auf der Straßenseite. Das Gebäude sah aus wie die
     Miniaturausgabe eines Renaissance-Schlosses.
    »Die Fassade zur Straße
     ist eine Attrappe?«
    Athenaide lachte. »Die
     ganze Stadt ist Attrappe, aber das wussten Sie sicher. Gegründet als
     Ralston, nach dem Präsidenten der Bank of California, ging der Ort
     erstmals wegen eines spektakulären Schwindels um eine Diamantmine vor
     die Hunde. Ein nationaler und internationaler Skandal, um dessentwillen
     mehrere Tycoons aus dem Fenster sprangen. 1879 kaufte Colonel William
     Boyle die Stadt auf und gab ihr einen anderen Namen, um sie für
     kleinere, aber einträglichere Schwindel zu nutzen, mit denen er
     östliche Anleger und westliche Bergleute hinters Licht führen
     wollte. Er wollte einen Namen, der Klasse und Kultur verhieß, und wählte
     Shakespeare. Vielleicht sind da die Pferde mit ihm durchgegangen …
     Aber ja, die Straßenfront dieses Gebäudes ist Attrappe. Wogegen
     die anderen Häuser an der Stratford Avenue durchaus echt sind, was
     immer bei diesem Schwindel von einer Stadt ›echt‹ heißt.«
    »Warum eine Stadt
     kaufen, die Sie als Schwindel betrachten?«, fragte Ben.
    »Meine Eltern waren
     Kostümbildner, in den glorreichen Tagen von Hollywood. Sie haben die
     großen Stars ausstaffiert, und ich durfte Zusehen. Bette Davis hat
     mir einmal gesagt, dass jede große Frau eine Betrügerin ist.«
     Sie breitete die Hände aus. »Ich liebe Betrüger.«
    Ich blendete ihr Geplauder
     aus und versuchte mich auf das Gebäude zu konzentrieren. Der majestätische
     Bau schien aus hohen Fenstern hinaus auf die Landschaft zu blicken. Das
     steile

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