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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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immer
     verehrt«, sagte sie.
    Blinzelnd trat ich näher.
     Es war auch eins meiner Lieblingsbilder. ›Ophelia‹ - für
     mich war dies die Ur-Ophelia - war eins der großen Meisterwerke der
     präraffaelitischen Kunst. Doch das Bild hing in der Tate Britain in
     London. Das wusste ich genau. Seit ich an ›Hamlet‹
     arbeitete, hatte ich Ophelia dort oft besucht. Im Schatten der Bäume
     an der Themse hing »sie« in einem rosenfarbenen Raum, wo sie
     zwischen den Gemälden von zwei Frauen in verwirrend blauen Kleidern
     Hof hielt. Ophelia selbst war seltsam farblos, beinahe durchsichtig, doch
     die Welt, mit der sie verschwamm, strahlte in leuchtendem, trotzigem Grün.
    Ich hörte, dass irgendwo
     eine Tür aufging. Überrascht sah ich mich um; außer der Flügeltür
     konnte ich keinen weiteren Eingang sehen. Dann bauschte sich einer der
     Wandteppiche, und eine füllige Latina tauchte auf, die ein Tablett
     mit einem silbernen Teeservice brachte.
    »Ah, Graciela«,
     rief Athenaide. »Du bringst uns Gaben.«
    Graciela marschierte durch
     die Halle und stellte das Tablett auf einem Tisch ab. Dann drehte sie sich
     um und zeigte mit erhobenem Arm auf mich. Die stupsnäsige Pistole in
     ihrer riesigen Hand wirkte wie ein Spielzeug.
    Ich blinzelte. Auch Ben hatte
     seine Waffe gezogen. Doch er zielte nicht auf Graciela. Seine Pistole war
     direkt auf Athenaides Brust gerichtet.
    »Nehmen Sie die Waffe
     herunter, Mr Pearl«, sagte sie.
    Er rührte sich nicht.
    »Testosteron«,
     seufzte Athenaide. »Was für ein langweiliges Hormon. Östrogen
     dagegen: Man weiß nie, was den Reiz auslöst. Ich fürchte,
     ich halte eine 22er Glock in der Hand, mit der ich direkt auf Katharines
     Nieren ziele.«
    Widerwillig bückte sich
     Ben und legte seine Pistole auf den Boden.
    »Danke«, sagte
     Athenaide. Graciela nahm Bens Waffe an sich. Und dann stellte Athenaide
     ihre dritte Frage.
    »Haben Sie Maxine Tom
     getötet?«

 
    23
    Eine Welle der Übelkeit
     stieg in mir auf. Hatte ich was?
    Das war unmöglich.
     Maxine hatte die Bibliothek direkt nach mir verlassen und sich schnell auf
     den Heimweg gemacht, um ihrem kleinen Sohn eine Gutenachtgeschichte
     vorzulesen. Als ich das Theater hinter mir ließ, waren die Fenster
     bereits dunkel gewesen.
    Ich bekam keine Luft. Der Mörder
     war dort gewesen. Ich hatte seinen Blick gespürt. Großer Gott,
     ich hatte sogar gehört, wie er das Messer zog. Hatte ich ihn zu ihr
     geführt und sie dann alleingelassen, als er sie in seiner Gewalt
     hatte?
    »Haben Sie Professor
     Tom getötet, Katharine?«
    »Nein«, sagte ich
     mit belegter Stimme. »Nein.« Ich hatte Maxine nicht einmal
     gewarnt. Hatte ihr nicht den kleinsten Hinweis auf die drohende Gefahr
     gegeben. »Was ist geschehen?«
    »Doch lange währt’
     es nicht«, sagte Athenaide, »bis ihre Kleider, die sich schwer
     getrunken, das arme Kind von ihren Melodien hinunterzogen in den schlämm’gen
     Tod… Ein paar Theaterbesucher haben sie in der Nacht gefunden, im
     Koi-Teich vor dem Archiv. Ihr Haar breitete sich in den Wellen aus wie das
     einer Meerjungfrau, ihr Rock schwamm an der Oberfläche. Jemand hat
     sie ertränkt.«
    Er hatte sie zu Ophelia
     gemacht.
    »Ich habe den Park
     anlegen lassen«, sagte Athenaide, »als Hommage an Millais.
     Nicht als Einladung zum Mord.«
    Die Uferböschung auf dem
     Gemälde, bewachsen mit Schilf und Moos und von kleinen weißen
     Blütensternen übersät - selbst die krumme Weide links am Rand tatsächlich
     war da eine unheimliche Ähnlichkeit mit dem Teich vor dem Archiv.
     Maxine. Die unerschütterliche, vor Leben sprühende Maxine.
     Fassungslos holte ich Luft und versuchte, meiner Stimme Festigkeit zu
     geben. »Ich habe gewusst, dass vielleicht ein Mörder hinter mir
     her ist, und ich habe Maxine nicht gewarnt. Aber ich habe sie nicht getötet.«
    Athenaide sah mich an.
     Langsam nickte sie, dann ließ sie ihre Pistole sinken. »Das
     dachte ich mir. Doch ich musste sichergehen. Sie werden mir die rüde
     Methode verzeihen.«
    »Vielleicht bringe ich
     auch Sie in Gefahr. Wir wurden verfolgt, zumindest einen Teil der Strecke.«
    Ben schnitt mir das Wort ab.
     »Woher wussten Sie von dem Mord?«
    »Durch die Polizei von
     Cedar City. Meine Nummer war die letzte, die Maxine angerufen hat.«
    »Haben Sie der Polizei
     gesagt, dass wir auf dem Weg zu Ihnen sind?«
    Ihr Blick ruhte auf Ben.
     »Meine Interessen und die der Polizei decken sich nicht immer. Doch
     ich

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