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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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Liebesdreiecks mit Essex.
     
    Athenaide berührte
     meinen Arm. »Gibt es ein Liebesdreieck in ›Cardenio‹?«
    Zögernd sah ich sie an.
     »Ja.«
    »Also wäre es
     denkbar, dass Cardenio für Carr steht, den Grafen von Somerset, und für
     die Dreiecksgeschichte mit Essex und seiner Gräfin?«
    »Nein.« Mein
     Einspruch kam schärfer heraus als beabsichtigt. Ich versuchte es zu
     erklären. »Wenn der Gespiele des Königs Carr heißt
     und man töricht genug wäre, auf der Bühne auf ihn anspielen
     zu wollen, wäre ›Cardenio‹ der letzte Name, den man
     sich aussuchen würde. Viel zu offensichtlich. Und damit viel zu gefährlich.«
    »Sie glauben doch nicht
     wirklich, dass Shakespeare ein Mann war, der sich vor Gefahr fürchtete?«
    »Die Rachsucht eines Königs
     der Renaissance würde jeder halbwegs intelligente Mensch fürchten«,
     gab ich zurück. »Doch der größere Haken an Ihrer
     Theorie ist, dass Dreieck nicht gleich Dreieck ist. Im ›Quixote‹
     ist Cardenio die erste und wahre Liebe der Dame, und er wird von einem
     heimtückischen Nebenbuhler ausgebootet. Doch Frances Howards erster
     Mann war ein impotenter Tugendbold, der sie weder lieben noch gehen lassen
     wollte. Carr war der Neuankömmling, und er rettete sie aus einer Ehe,
     die wenig kuscheliger war als eine Kerkerzelle.«
    »Essex war impotent?«,
     fragte Ben.
    »Wer weiß es
     genau? Jedenfalls hat das Oberhaupt des Howard-Clans - Frances’
     Onkel oder Großonkel, ich bringe sie immer durcheinander - Essex
     gerne ›meinen Lord, den Eunuchen‹ betitelt.«
    Athenaide kniff die Augen
     zusammen. »Sie sind gekommen, um etwas über ›Cardenio‹
     zu finden, und hier bietet sich eine Theorie. Warum tun Sie sie so sang-
     und klanglos ab?«
    »Ich suche nichts
     über ›Cardenio‹.«
    Sie sah von mir zu Ben, und
     dann wieder zu mir. »Wie bitte?«
    Bens Missbilligung traf mich
     wie ein kalter Luftzug, doch Athenaides Billigung war jetzt wichtiger.
     »Wir sind nicht hergekommen, um etwas über das Stück
     herauszufmden. Wir suchen das Stück. Granville behauptet, er hätte
     eine Kopie des Manuskripts gefunden.«
    Eine kurze, sprachlose Pause
     entstand. Auf Athenaides Stirn bildete sich eine steile Falte. »Und
     Sie glauben, Sie können dieses Manuskript finden?« Gier
     flackerte in ihren Augen auf.
    »Ros glaubte es.«
    »Wie?«
    »Ich weiß es
     nicht. Aber ich glaube nicht, dass die Verbindung zu den Howards eine
     Rolle spielt. Sonst hätte Granville sich nicht erst damit beschäftigt,
     nachdem er das Stück schon gefunden hatte.«
    Athenaide neigte nachdenklich
     den Kopf. Dann blinzelte sie und trat einen Schritt zurück.
    »Lesen Sie weiter.«
     
    Ich hin recht zufrieden,
     daß es mir gelungen ist, diesen ersten Satz von Verbindungen
     auszugraben. Zumindest betäubt es die Qual, Dir von meinem
     vollkommenen Versagen zu berichten, was die zweite Sache angeht. Ich kann
     nichts finden, das auf irgendeine Familienbande zwischen dem Grafen und
     dem Poeten Hinweisen könnte. Ich wünschte, Du könntest mir
     sagen, was diese Frage aufgeworfen hat.
     
    Das wünschte ich auch,
     dachte ich.
    »Granville dachte, sie
     wären verwandt?«, fragte Ben. »Shakespeare und die
     giftigen Howards?«
    »Das ist noch nicht
     alles«, sagte ich, während ich weiterlas. »Anscheinend
     glaubte er, dass auch noch ein Geistlicher im Spiel war. Ein katholischer
     Priester.«
    »Das wäre ein
     Spiel mit dem Feuer gewesen, nicht wahr?«, fragte Ben.
    Ich nickte. »Wegen des
     Umgangs mit einem Priester konnte man alles verlieren - Lebensunterhalt,
     Grundbesitz, die ganze Habe, sogar die Vormundschaft für die eigenen
     Kinder. Falls der Verdacht bestand, man wäre mit den Jesuiten im
     Verein gegen die Königin, konnte man wegen Hochverrats gehängt,
     ertränkt oder gevierteilt werden. Trotzdem meint die Schreiberin, an
     der Sache mit dem Priester könnte etwas dran sein.«
    Ben sah mir über die
     Schulter. »Woher wissen wir, dass Granville nicht übergeschnappt
     war?«
    »Er scheint Professor
     Child überzeugt zu haben. Hören Sie sich das an:«
     
    Vielleicht kann Professor
     Child Dir mehr verrathen. Ich muß zugeben, ich war überrascht
     von seinem Eifer, Dich aufzusuchen -freilich habe ich ihn darin bestärkt.
     Er würde gewiß nicht all die Mühe auf sich nehmen, wenn er
     nicht ernstlich glaubte, Dein Fund könne echt sein.
      
    Der Professor - nicht eben
     ein Flattergeist, der sich leicht in Wallung versetzen

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