Die Shakespeare-Morde
rüttelte.
Zeit zum Umziehen, sagte sie. Verblüfft stellte ich fest, dass sie
nicht nur unsere Bücher, sondern auch unser Gepäck aus dem
Mietwagen ins Flugzeug gezaubert hatte und es darüber hinaus ein
Schlafzimmer an Bord gab, wo ich mich umkleiden konnte.
Auf meinem Koffer lagen
ordentlich gefaltet ein schwarzer Rock und eine frische weiße Schürze.
Daneben stand ein Paar nicht allzu hoher Slingback-Pumps, in denen ich
wahrscheinlich gehen konnte. Ich zog mich um, band mir das Haar zu einem
Knoten im Nacken, dann steckte ich mir Ros’ Brosche ans Revers und
kehrte in die Kabine zurück.
»Lorenzo erwartet heute
Abend zwei Neue für sein Catering-Team«, sagte Athenaide,
»die Tochter von Freunden mit ihrem Partner. Susan Quinn und Jude
Hall.«
Ich kicherte.
»Was ist?«,
fragte Ben. Er hatte sich ebenfalls umgezogen und trug eine schwarze Hose
und ein weißes Hemd.
»Shakespeares Töchter«,
erklärte ich. »Susanna und Judith - Susan und Jude. Susanna
heiratete Dr. Hall, und Judith vermählte sich mit einem Mr Quiney.
Hall und Quinn. Wenigstens hat sie die Nachnamen vertauscht.«
»Keine gute Idee«,
sagte Ben grimmig.
»Versuchen Sie es mit
Humor, Mr Pearl«, zwitscherte Athenaide. »Ihnen ist die
Verbindung schließlich nicht aufgefallen.«
»Kate schon.«
»Der Einzige, der sich
Lorenzos Namensliste ansieht, ist der Wachmann an der Hintertür.«
»Den wahrscheinlich das
FBI dort abstellt«, sagte Ben.
»In diesem Fall wären
Ihre Gesichter das größere Problem. Vor allem Katharines.«
»Das ist kein Spiel«,
knurrte Ben.
»Wie Sie meinen«,
sagte Athenaide, »aber der Gefahr entgegenzulachen ist ein Zeichen
von Tapferkeit.«
»Ernst erhöht die
Überlebensquote«, entgegnete Ben.
Ein paar Minuten später
waren wir in Dulles gelandet, wo bereits eine schwarze Limousine auf uns
wartete. Nach New Mexico wirkte Washington so grün wie die
Smaragdstadt aus dem ›Zauberer von Oz‹. Doch die Luft war
unangenehm schwül, und der Himmel sah aus wie feuchte grauweiße
Watte und wirkte so nah, dass er einen Anflug von Klaustrophobie in mir
auslöste. Nur direkt über unseren Köpfen war ein kleiner
Kreis blauen Himmels zu sehen.
Fünfundvierzig Minuten
später wurden wir vor der Küche der Catering-Firma abgesetzt.
Meine Bücher musste ich Athenaide überlassen. »Ich passe
gut darauf auf«, versprach sie. »Und jetzt seht zu, dass ihr
heil hineinkommt.«
Der Caterer war ein fülliger
Mann mit grau meliertem Haar, einem prächtigen Schnurrbart und einem
professionellen Lächeln. Er drückte uns weiße Kittel in
die Hand, dann stellte er uns dem Rest des Teams vor, und wir bestiegen
alle zusammen einen großen Lieferwagen. Kurze Zeit später
erreichten wir den Artdéco-Bau der Folger Shakespeare Library,
dessen Marmorfassade mit in Stein gehauenen Theaterszenen verziert war.
Wir parkten hinter dem Gebäude am Lieferanteneingang.
Als wir den Lieferwagen
entluden, griff ich nach einem mannshohen Tablettwagen, den ich rückwärts
durch den Lieferanteneingang zerrte. Der Wachposten sah kaum mehr von mir
als den weißen Kittel und meinen Hinterkopf. Er blinzelte nicht
einmal, als er den Haken hinter meinen Namen setzte - Susan Quinn. Einen
Augenblick später hörte ich, wie er auch Jude Hall abhakte. Wir
waren drin.
25
Der Lieferanteneingang führte
in das Untergeschoss. Der große Lesesaal war tabu, wie mir Ben
unmissverständlich zu verstehen gab, weil das FBI Agenten unter die
Konferenzteilnehmer geschleust hätte. Stattdessen waren wir mit
Athenaide im Founders’ Room verabredet, einer kleinen Oase von
gediegenem Luxus in der äußersten Ecke des Hauptgeschosses. Sie
würde dafür sorgen, hatte sie zuversichtlich versprechen, dass
man ihr für den Nachmittag den Founders’ Room als privates Büro
zur Verfügung stellte.
In der Hektik der
Vorbereitungen eines Galadinners für 150 Shakespeare-Spezialisten und
-Förderer von Weltrang war es relativ leicht, unbemerkt aus der Küche
zu entkommen. Kaum waren wir um die Ecke gebogen, knöpften wir unsere
weißen Kittel auf und stopften sie in einen Wäschewagen. Dann
liefen wir den Gang hinunter und eine Treppe zum Hauptflur hinauf.
Freitagnachmittags war es hier menschenleer. Am anderen Ende des Korridors
stand die Tür zum Founders’ Room offen.
Auf halbem Weg befand sich
der Vorraum des
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