Die Sherbrooke Braut
Wald hinein. Sie war fort. Er sah sich genau um. Schließlich entdeckte er die Stelle, wo zwei Menschen gestanden haben mußten. Es hatte keinen Kampf gegeben, kein einziger Laut war zu hören gewesen. Georges hatte sie geraubt; entweder hatte er sie getötet oder bewußtlos geschlagen. Nein, wenn er sie getötet hätte, dann hätte er ihre Leiche hier zurückgelassen. Douglas suchte fieberhaft weiter. Bald fand er auch die Stelle, wo ein Reitpferd an einem Eibenbaum gebunden gestanden hatte. Er sah, daß die Pferdespuren aus dem Wald führten und daß die Hufe tiefer in die Erde eingesunken waren, weil das Tier nun zwei Menschen auf seinem Rücken trug.
Er hatte kein Pferd zur Verfügung. Da war nur die Kutsche und eine Verfolgung nicht möglich. Nach einer Stunde erst rollte die Kutsche in Terkton-on-Bryne ein, wo er sich ein kräftiges, schnelles Pferd besorgen konnte.
Er war wütend. Er hatte Angst. Innerhalb von einer halben Stunde war er zu dem Ahornwäldchen zurückgeritten und verfolgte zehn Minuten später die Pferdespur.
Er flehte inständig, es möge nicht regnen, doch die zunehmenden grauen Wolken am Himmel sahen bedrohlich aus.
Cadoudal bewegte sich in Richtung Süden, nach Eastbourne, direkt an die Küste. Hatte er vor, sie nach Frankreich mitzunehmen? Douglas’ Blut erstarrte schier in seinen Adern.
Zwei Stunden später goß es in Strömen. Douglas stieß Flüche aus, doch es half nichts - bald waren die Spuren verwischt. Er hatte aber das tröstliche Gefühl, daß Georges, der brillante Stratege, es nicht leicht haben würde mit Alexandra.
Ehe er die Stadt erreichte, war er bis auf die Haut durchnäßt und zitterte vor Kälte. Ihm war klar, daß es so gut wie unmöglich war, Cadoudal im Alleingang zu erwischen. Glück alleine würde ihm nicht ausreichen; er benötigte unbedingt Hilfe. Er benötigte viele Männer, um die Gasthäuser und den Hafen abzusuchen sowie die Passagierlisten zu überprüfen.
Er war erschöpft und wußte, daß er rein gar nichts mehr unternehmen konnte. Trotzdem ritt er noch nach Eastbourne und hielt an drei Gasthäusern. Niemand erkannte seine Personenbeschreibung, oder sie waren von Georges bestochen worden, ihm eine Lüge aufzutischen. Er gab sich geschlagen, setzte sich auf sein Pferd und ritt die zwanzig Kilometer nach Northcliffe Hall, so schnell das Pferd ihn tragen konnte.
Hollis warf einen Blick auf Seine Lordschaft und rief sofort nach dem Kammerdiener. Douglas wurde in sein Schlafzimmer gebracht und in einen warmen Morgenmantel gehüllt. Danach hielt es Hollis für angemessen, ihn über seine Aktivitäten zu informieren.
Er berichtete: »Kutscher John hat uns alles über den Vorfall erzählt. Ich habe Anweisungen gegeben, und nun stehen Ihnen dreißig Männer zur Verfügung. Sie müssen mir nur weitere Befehle geben.«
Douglas sah seinen Butler entgeistert an und wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen. Statt dessen murmelte er mit erschöpfter Stimme: »Georges Cadoudal hat sie entführt, und ich fürchte, daß er sie schon nach Frankreich verschleppt hat. Ich habe seine Spur beinahe bis nach Eastbourne verfolgen können, doch dann begann es zu regnen. Bei den örtlichen Gasthäusern hatte ich kein Glück.«
Hollis klopfte ihm auf die Schulter, als wäre er noch ein zehnjähriger Knabe. »Seien Sie unbesorgt, Mylord. Sie geben mir die Beschreibung dieses Cadoudal, und ich werde sie an die Männer weitergeben. Sie können sich in einer Stunde auf den Weg machen. Was Sie betrifft, Sie werden erst einmal ruhen, ehe Sie dieses Zimmer verlassen. Ich bringe Ihnen etwas zu essen und einen guten Tropfen Brandy. Das wird Sie bald wieder auf die Beine bringen.«
Innerhalb von dreißig Minuten waren zweiundzwanzig Männer nach Eastbourne ausgeschwärmt. Hollis agierte wie ein echter General.
Dann erklärte er Douglas: »Ich habe auch Lord Rathmore benachrichtigt. Ich erwarte ihn in Kürze. Seine Lordschaft hat Sie noch nie im Stich gelassen.«
Douglas brummte und nippte an dem wärmenden Brandy. Er hatte sich sattgegessen, und das Kaminfeuer war warm und behaglich. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück, schloß die Augen und schlief eine Stunde fest. Danach erwachte er frisch und ausgeruht.
Kaum hatte er die Augen geöffnet, erblickte er Sinjun, die neben seinem Sessel stand. Einen Augenblick lang vergaß er alles und sagte: »Hallo, Range. Wo steckt Alexandra?«
Doch dann traf ihn die Wirklichkeit wie ein Schlag. Sinjun sah ihn erbleichen.
»Es tut mir
Weitere Kostenlose Bücher