Die Sherbrooke Braut
geh, und sieh, wie das Packen vorangeht. Tut mir leid, daß wir nicht schon jetzt fahren können, aber ich habe etwas zu erledigen. Ich komme heute später zurück.« Als er gerade an der Tür stand, erstarrte er, als sie ausrief: »Merde!«
Douglas kehrte zum Mittagessen nicht zurück. Alexandra war aus lauter Angst und Sorge um ihn kurz vor einem Schreikrampf. Sie versuchte mit ihrem Französisch weiterzukommen, doch sie war so wütend, daß sie die meiste Zeit nach weiteren Schimpfwörtern suchte, die sie ihm an den Kopf werfen könnte.
»Ihr seid nervös, Mylady«, stellte schließlich Mrs. Goodham leicht irritiert fest. »Warum machen Sie keine Spazierfahrt mit der Kutsche. Hier gibt es nichts, wo Sie gebraucht werden, das kann ich Ihnen versichern.«
Douglas hatte den Angestellten also nicht befohlen, sie wie eine Gefangene zu behandeln. Alex preßte die Lippen zusammen. Sie würde sehr wohl den Roman für Sinjun besorgen, zur Hölle mit Douglas. Doch um ganz sicher zu gehen, holte sie eine kleine Pistole aus Douglas’ Schreibtisch in der Bibliothek hervor, die sie in jener Nacht, als sie Französisch gelernt hatte, entdeckt hatte. Sie steckte sie in ihr Damentäschchen. Dann bat sie einen der Lakaien, sie zu begleiten. Er saß nun neben Kutscher John. Was könnte Douglas noch verlangen? Sie war mit zwei Leibwächtern und einer Pistole ausgerüstet.
Burgess war zwar darüber informiert, daß Ihre Ladyschaft Zuhause bleiben sollte, doch als Alexandra aus der Tür huschte, James, den Lakaien, im Schlepptau, befand er sich gerade nicht auf seinem Posten.
Die Kutsche rumpelte den Piccadilly hinauf, am Hyde Park Corner vorbei bis zur St. Edward’s Street. Kutscher John blieb auf seinem Kutschbock sitzen. James begleitete Alexandra zu Hookams. Es war ein zugiger Laden, vom Boden bis zur Decke mit Büchern vollgestellt. Überall lag Staub, die Gänge zwischen den Regalen waren schmal und eng. Doch war der Laden von der tonangebenden Gesellschaft als Treffpunkt erklärt worden, und deshalb drängelten sich unzählige plaudernde Damen und Herren zwischen den Gängen. In der Nähe des Ladeneingangs warteten die Dienstmädchen und Lakaien, um ihren Herrschaften die Päckchen abzunehmen. Alexandra überließ James dem Vergnügen, einem hübschen Mädchen nachzugaffen, und bat einen beflissenen Verkäufer, sie dorthin zu führen, wo Sinjuns Roman stand. Ah ja, da drüben, auf dem dritten Regal. Sie suchte nach dem Buch The Mysterious Count. Plötzlich erstarrte sie, als eine Männerstimme ihr ins rechte Ohr zischte.
»Aha, das Täubchen fliegt aus dem Nest, eh?«
Das war nicht Heatherington. Nein, er war derjenige mit dem Schäfchen und dem Hirten. Seufzend sagte sie, ohne sich umzusehen: »Ihre Annäherung gefällt mir nicht, Sir. Es fehlt ihr an Originalität. Es fehlt ihr an Anmut und Charme. Es fehlt ihr an Witz. Allerdings gefällt mir die Nachahmung eines französischen Akzents, paßt aber nicht zu Ihrem fehlerfreien Englisch.«
»Zum Teufel mit Ihnen, ich hatte nicht vor, Ihnen zu gefallen! Ich spreche drei Sprachen fließend!«
»Nun, was ist dann Ihre Absicht?« Sie drehte sich um und blickte an einem hageren, sehr großgewachsenen Mann hoch, dessen schwarze Haare noch schwärzer als die von Douglas waren. Er trug die Vormittagsgarderobe eines Gentleman. Mit einem Schlag wußte sie, dies war Georges Cadoudal. Herrje, der Akzent dieses Mannes war nicht gespielt.
»Meine Absicht? Nun, das will ich Ihnen sagen. Ich halte eine sehr kleine und sehr tödliche Pistole in meiner rechten Hand, die auf Ihre Brust gerichtet ist. Ich schlage vor, Madam, kommen Sie mit und bewahren Sie dabei dieses reizende Lächeln auf Ihrem Gesicht. Nehmen Sie einfach an, ich sei Ihr Liebhaber, und wir werden famos miteinander auskommen, in Ordnung? Gehen wir.«
Alexandra sah die kalte, unbeugsame Entschlossenheit in seinen Augen. »Je ne vais pas!« schrie sie aus vollem Halse. Sie schleuderte ihm The Mysterious Count ins Gesicht, in der Hoffnung, ihm dabei wenigstens die lange Nase zu brechen. Als er die Arme hob, um sie zu schlagen, schrie sie: »Merde! Merde! Je vais ä Paris demain avec mon mari! Aidez moi!«
Er schlug sie, fürchterliche Flüche ausstoßend, seitlich am Kopf, während die gesamte Kundschaft bei Hookams zu Eis erstarrte.
»James, Hilfe! Aidez moi!«
»Zur Hölle mit Ihnen!« fauchte ihr Georges Cadoudal ins Gesicht und war im nächsten Augenblick verschwunden. James war an ihre Seite geeilt, er zitterte
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