Die Sherbrooke Braut
dir!«
Die langen glatten Haare waren hell, beinahe weiß, und ihr Gewand floß in leichten Wellen um ihre Gestalt, trotz der stickigen, reglosen Luft. Natürlich hatte er sie schon einmal gesehen, besser, er hatte sie sich schon einmal in seiner überspannten Fantasie heraufbeschworen. Sie war ihm in der längst vergangenen Nacht erschienen, als Alexandra von ihm davonlaufen wollte.
Unvermittelt sah Douglas Alexandra vor seinem geistigen Auge. Sie lag in einer engen Kammer auf einem schmalen Bett. Ihr Kleid war zerknittert und zerrissen. Die Haare fielen ihr wirr ins Gesicht. Obwohl sie blaß war, entdeckte er keinerlei Spuren von Angst auf ihrem Gesicht. Hand- und Fußgelenke waren gefesselt. Sie lag wach, er sah sie direkt vor sich, wie sie krampfhaft einen Fluchtplan überlegte, so daß er lächeln mußte. Sie hatte wirklich Mut. Ebenso deutlich sah er dann das Bauernhaus in dem Dorf vor sich, wo sie sich befand. Es war in Etaples. Dann verschwand sie.
Georges Cadoudal hatte Sinn für Ironie.
Douglas ließ es nicht darauf beruhen. Mit einem Satz sprang er aus dem Bett und stürzte sich in die Richtung, wohin sie verschwunden war. Nichts.
»Du abscheuliches Nichts, komm sofort zurück! Feigling! Du lächerliches Hirngespinst!«
Außer dem Regen, der beständig gegen die Fenster trommelte, und hie und da einem Ast, der gegen eine Fensterscheibe peitschte und kratzte, war nichts zu vernehmen.
So stand er eine ganze Weile ratlos da, nackt und vor Kälte zitternd. Er hatte Kopfweh.
Bei Morgengrauen nieselte es nur noch. Um sieben Uhr früh hatten sich die Wolken verflüchtigt, und die Sonne ging auf.
Douglas lief die Treppen hinunter und ging ins Frühstückszimmer. Tony Parrish saß am Tisch, trank Kaffee und verspeiste Eier mit Speck und geräucherten Hering.
Er sah hoch und begrüßte seinen Cousin. »Setz dich und iß. Danach machen wir uns auf die Suche. Wir werden sie finden, Douglas, keine Sorge.«
»Ich weiß«, erwiderte Douglas und leistete ihm Gesellschaft.
Tony wartete ab, bis Douglas etwas gegessen hatte. »Was soll das heißen, du weißt?«
Douglas lächelte nur und sagte: »Georges Cadoudal hat sie nach Etaples entführt. Wir werden ihn im Nu erwischen. Wir nützen die Gezeiten aus und erreichen Frankreich mit etwas Glück in acht Stunden. Dort werden wir uns Pferde mieten und in aller Frühe in Etaples sein.«
»Woher weißt du, wo sie steckt, Douglas? Hat Cadoudal eine Forderung nach Lösegeld hinterlassen?«
»Hat er«, erwiderte Douglas und biß in ein Stück Brot. »Ja, ich hätte mich schon früher aufgemacht, doch der Sturm hat mich aufgehalten. Ist Melissande bei dir?«
»Ja, sie schläft noch.«
»Aha.«
»Erzähle mir doch etwas über diesen Burschen Cadoudal und den Grund, weshalb er Alexandra entführt hat.«
Douglas erzählte ihm die Wahrheit. Warum sollte er auch nicht? Allerdings erzählte er ihm weder von Cadoudals Plan noch von den eine Million Guineen, die die englische Regierung für den Sturz Napoleons, für einen Aufstand in Paris und für die Inthronisierung Louis’ XVI. Bruder, dem Comte von Artois, zur Verfügung gestellt hatte. Doch berichtete er ihm von Janine Daudet. Diese Frau hatte vor ihrem Geliebten Georges Cadoudat behauptet, daß er, Douglas, der Vater ihres Kindes sei. Sie war zu sehr verängstigt gewesen, um ihm zu gestehen, daß General Belesain oder einer seiner Männer, denen er sie überlassen hatte, sie geschwängert haben könnte. Einmal ausgesprochen, gab es kein Zurück für sie. Sie hatte nicht geahnt, daß Georges nach Rache sinnen würde.
»Die Frau ist verrückt!« warf Tony ein. »Warum sollte sie dir diese Gemeinheit antun, Douglas? Du meine Güte, schließlich hast du sie gerettet!«
Douglas rückte den Stuhl zurück und erhob sich. »Das erzähle ich dir auf dem Weg nach Eastbourne.«
Die Luft war frisch und kühl, und eine leichte Brise wehte ihnen ins Gesicht. Garth war voller Energie und ausgelassen, und Douglas hatte alle Hände voll zu tun, um ihn im Zaum zu halten. Beide Männer waren mit Pistolen und Messern bewaffnet. Sie trugen hohe Schaftstiefel, Wildlederhosen und Capes.
Schließlich sagte Douglas zu Tony: »Sie meinte, ich wäre nicht mit ihr ins Bett gegangen, da General Belesain sie zur Hure degradiert hatte. Natürlich stimmte das nicht. Was den General betrifft, gut möglich, daß er sie als seine Hure angesehen hat, die er seinen Freunden, seinen Gästen, wem immer, zur Verfügung stellen konnte. Er hat sie mir
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