Die sieben Dämonen: Roman
Daumen und Zeigefinger rieb. »Es ist zerstoßene Mumie.«
»Was!«
»Es besitzt große Zauberkraft, Herr! Dieser Mann hier blutet nicht, weil er krank ist, sondern weil er von Teufeln heimgesucht wird!«
»Das kannst du ihm nicht geben, Scheicha.«
Da schnellte Samiras Hand wie eine Schlange aus ihrem Ärmel hervor und bewegte sich so rasch, daß Mark dem Geschehen kaum folgen konnte. Sie hatte den Becher schon an Halsteads Lippen gesetzt, als Mark sich nach vorne warf und ihr den Becher aus der Hand schlug.
»Ya Allah!« schrie sie.
»Scheicha«, Mark gab sich Mühe, seinen Ärger im Zaum zu halten; er wußte, daß die Frau keine schlechten Absichten hegte, »er kann das nicht trinken.«
Sie funkelte ihn wutentbrannt an. »Sie machen einen schweren Fehler, Herr. Ich kann Ihnen helfen, die Dämonen zu bekämpfen …«
Mark blickte finster und ratlos auf sie hinunter. Er hatte sie nicht vor den Kopf stoßen wollen; schließlich hatte sie ihn zu dem Hund geführt. »Bitte, Scheicha , überlaß die Sache uns.«
Als Abdul vortrat, gebot ihm die Fellachin mit erhobener Hand Einhalt. Dann zwängte sie sich vorsichtig unter Halsteads Körper hervor, legte seinen Kopf sanft auf das Kissen nieder und erhob sich mit königlicher Würde. »Ich kann Ihnen fortan nicht mehr helfen, Herr. Ich habe alles getan, was in meiner Macht steht. Jetzt seid Ihr auf Euch allein gestellt.«
Mark öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, aber schon stellte sich Abdul leise hinter Samira, um sie zum Ausgang zu geleiten. Verächtlich schnaubend nahm sie Ron den Beutel und den Zweig aus der Hand.
Mark beobachtete, wie sich Jasmina über Halstead beugte und seinen Puls fühlte. Dann blickte er zu Alexis hinüber, die auf ihrem Feldbett saß und verwirrt auf ihre Hände starrte. Jasmina versuchte, dem halb ohnmächtigen Halstead das Hemd abzustreifen. »Ich sollte ihn nach Kairo zurückschicken.«
»Nein!« Alexis warf den Kopf zurück; ihre Augen funkelten. »Das
wäre überhaupt nicht in seinem Sinne. Sanford bleibt hier bei der Ausgrabung.«
»Er braucht stationäre Behandlung in einem Krankenhaus …«
Alexis blitzte Mark drohend an. »Sanford bleibt hier, Dr. Davison. Das ist sein Wunsch.«
Als Jasmina ihre Arzttasche nahm und sich zum Gehen wandte, wollte Mark noch etwas sagen, doch an Alexis’ Blick erkannte er, daß seine Worte nichts fruchten würden. So machte er auf dem Absatz kehrt und folgte Jasmina hinaus in die drückende Mittagshitze.
»Es tut mir leid, Mark«, meinte sie auf dem Weg zu ihrem Zelt. »Ich habe mich in dieser Situation wohl ziemlich dumm verhalten.«
»Sie haben das Richtige getan. Ich glaube zwar nicht, daß der Mumienstaub allein ihm geschadet hätte, aber wer weiß, was sie sonst noch darunter gemischt hat.«
Sie blieben vor Jasminas Zelt stehen. »Ich habe etwas Tee, den ich selbst zubereitet habe«, begann sie verlegen. »Hätten Sie Lust, eine Tasse mit mir zu trinken?«
»Lassen Sie mich noch rasch ein Hemd anziehen.«
Abdul mußte das Abendessen kochen, weil Samira nirgends zu finden war. Er bereitete einen schmackhaften Eintopf aus Reis, Lammfleisch und Bohnen, dem aber die besondere Würze fehlte, die die alte Fellachin ihren Speisen zu geben verstand.
Schweigend nahmen sie das Abendessen ein. Halstead, blaß, aber wohlauf, hatte nach dem Aufwachen darauf bestanden, dem gemeinsamen Abendessen beizuwohnen. Die neben ihm sitzende Alexis wirkte geistesabwesend und distanziert. Sie schien vor sich hin zu träumen und rührte ihr Essen nicht an. Ron, der Mark gegenübersaß, kaute die Lammstücke ohne rechten Appetit und spülte sie mit reichlich Chianti hinunter. Am anderen Tisch saßen Hasim, der während der Mahlzeit ständig etwas in sein Notizbuch kritzelte, und Jasmina, die lustlos in ihrem Teller herumstocherte. Während er aß, dachte Mark über die junge Frau nach. Er hatte es genossen, mit ihr Tee zu trinken und zu plaudern. Sie war ihm gegenüber ein wenig zugänglicher gewesen, hatte ihm von ihren Schwierigkeiten im Berufs-und im Privatleben erzählt, von ihrem verzweifelten Wunsch, als Frau in einer Männergesellschaft als ebenbürtig anerkannt zu werden, was in
einer islamisch geprägten Kultur jedoch beinahe aussichtslos sei. Sie hatte leidenschaftlich von ihren Emanzipationsversuchen gesprochen, und doch sonderte sie sich jetzt, während des Abendessens, von den anderen ab, wie ihre muslimischen Schwestern in Kairo es tun würden. Wie es die Sitte verlangte, aß sie
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