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Die sieben Häupter

Die sieben Häupter

Titel: Die sieben Häupter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Belinda; Kinkel Richard; Rodik Ruben; Dübell Malachy; Wickenhäuser Mani; Hyde Tessa; Beckmann Horst; Korber Helga; Bosetzky Titus; Glaesener Rebecca; Müller Guido; Gablé Dieckmann
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bemühte sich, das Kreisen in seinem Kopf zum Stillstand zu bringen, die Bilder zu verdrängen, die hinter seiner Stirn Gestalt annahmen, erschreckend wirklich. Er öffnete die Augen, wie durch wabernden Nebel sah er Petrissa vor sich, wie im Traum streckte er seine Hände nach ihr aus.
    »Laßt ab!« Ihre Stimme war schrill.
    Als hätte ihn ein Blitz getroffen, ließ Ludger sie los, starrte fassungslos auf seine Hände. Schweiß rann ihm über Stirn und Schläfen. Was war in ihn gefahren, er konnte nicht glauben, was eben geschehen war, was über ihn gekommen war.
    Petrissa wischte sich mit der Hand über das Gesicht.
    Tränen? Der Erleichterung, des Zorns oder der Enttäuschung? Sie ging ohne ein Wort, ohne einen Blick. »Petrissa«, rief er ihr nach, flehend, um Verzeihung bittend, indes, schon fiel die Tür in das Schloß.
    Der Rausch ging, zurück blieben Kopfschmerzen, Bestürzung und eine seltsame Unruhe. Er hatte Durst, doch niemand kam, ihm Wasser zu bringen, keine Petrissa mit dem gewohnten Tablett in der Hand, dem süßen Lächeln auf den Lippen. Es geschah ihm recht, sie strafte ihn, und er verfluchte es, ausgerechnet bei Petrissa, der Geliebten Pribislaws, schwach geworden zu sein. Er schluckte hart. Erwarteten ihn auch jetzt wieder Schwierigkeiten? Es würde ihn nicht wundern, wenn sich Pribislaw rächen würde. Schließlich verdankte er seiner ersten und einzigen schwachen Stunde mit Irmgard, daß er jetzt hier lag, mit zerschlagenen Gliedern, in dieser mißlichen Lage. Er sollte Frauen besser meiden, sie brachten nur Unheil.
    Er fiel in einen leichten Schlaf, wachte wieder auf, wälzte sich auf die andere Seite. Durst quälte ihn, und Traumgesichte bemächtigten sich seiner. Konrad sah er, seinen jugendlichen Freund, oder seinen Verräter? Konrad auf seinem Roß, der das warnende Lied sang, Konrad neben sich in der Nacht, fast an ihn geschmiegt, Konrad als Frau verkleidet. Er erwachte, Konrads Bild noch vor Augen. Ein Eunuch? Lächerlich erschien ihm jetzt dieser Gedanke, Eunuchen wurden fett, besaßen sicherlich nicht diesen Blick, wie ihn Konrad hatte. Ein Blick, den er bei Irmgard und auch bei Petrissa gesehen hatte, bevor er …
    Sollte Konrad Männern zugeneigt sein? Das war von Gott und Kirche streng verboten, wider die Natur. Verstört wand sich Ludger auf seinem Lager, als er sich vorstellte, was solche Männer miteinander trieben, und voller Unbehagen stellte erfest, was diese Gedanken bei ihm anrichteten. »Herr im Himmel«, flüsterte er in die Dunkelheit, »vergib mir meine Sünden.« Nein, er würde keine Vergebung erlangen, wenn er erst Petrissa anfiel und sich dann solchen Gedanken hingab. »Vergib, was ich Petrissa antat.« Obwohl es mir Genuß bereitete, fügte er im stillen hinzu, und: Warum gelüstet es mich nach mehr, sogar nach Konrad? Er biß sich auf die Lippen, bis es schmerzte, eine bewährte Methode, böse Gedanken zu vertreiben.
    Erneut dämmerte er ein, bis aufgeregtes Stimmengewirr und Hufgetrappel ihn aus dem Halbschlaf rissen. Pribislaw kam zurück. Ludger eilte an das Fenster, spähte durch einen Spalt in den geschlossenen Läden, sah Männer von Pferden springen, andere die Tiere an den Zügeln wegführen. Er hörte die tiefe, ruhige Stimme des Budiwoj, die zornige des Pribislaw, dann entfernten sich die Männer, gingen wohl in das Haus des Priesters, um sich zu beraten. Auch über ihn? Sicher über ihn, ihre Pläne und den Drachensamen. Petrissa würde dabeisein und ihnen Speise und Trank bringen – und ihnen erzählen, was vorgefallen war. Ludger wagte nicht, daran zu denken, schlich zurück auf sein Lager, verfluchte sich und seine Schwäche und den Drachensamen, dieses Teufelszeug. Er betete inbrünstig, wie er nie zuvor in seinem Leben gebetet hatte, nicht einmal, als er fast vor Durst umgekommen wäre – da hatten ihm die Worte gefehlt –, und lauschte in die Nacht, ob sich das Schicksal näherte.
    Im Morgengrauen passierte es. Erneut hörte er Pferdehufe, dann wildes Schreien, Klirren von Stahl auf Stahl, von Schwert auf Schwert. Ludger rannte wieder an sein Fenster, preßte ein Auge an den dünnen Spalt, versuchte soviel wie möglich zu erkennen. Eine vermummte Gestalt kreuzte sein Blickfeld, eine zweite rannte vorbei. Wer war das? Eine Bande Gesetzloser? Ludger schloß die Augen und legte seine Stirn an daskühle Holz. So sollte er also enden. Nun gut, was spielte es schon für eine Rolle. Doch dann legte er den Kopf zurück, lauschte und dachte nach.

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