Die sieben Häupter
gesagt …«, Ulrich senkte den Kopf, »ich fürchte, Pribislaw ist uns entkommen. Wahrscheinlich hat er bereits ganz Köpenick alarmiert. Wir ziehen besser so schnell wie möglich weiter.«
Ludger seufzte und bereitete sich zum Aufbruch vor. Die Männer schenkten ihm kaum Beachtung. Es war die Stunde der schweigsamen Selbstbeschäftigung: Kratzen, Gähnen, Spucken, gelegentliches Fluchen, das mehr oder weniger dezente Erleichtern.
Eine feine Gesellschaft, dachte Ludger. Unter dieser Bande aus Halsabschneidern fühlte er sich nicht gerade wohl. Ritter Ulrich war der einzige Mann von Stand, und auch er war ihm als zwielichtige Gestalt bekannt. Ludger ahnte, daß sich die Männer hinter seinem Rücken über ihn lustig machten. Im Vergleich zu ihnen, Heinrichs Männern fürs Grobe, war er ein schmächtiges Kerlchen, das keiner Fliege etwas zuleide tun konnte. Allerdings mußte er sich eingestehen, daß er derzeit vermutlich noch abgerissener aussah als alle anderen hier. Da hatte es auch wenig genützt, daß man ihm eine Gugelkapuze und einen kratzenden Schurwollmantel gegeben hatte. Für den war er aber sehr dankbar. Obwohl es bereits Anfang Juni war, war es am Morgen bitterkalt.
Ludger streichelte das Pferd, das er bekommen hatte. »Wenigstens du siehst ordentlich aus«, seufzte er. Nach dem Aufsteigen zog er den Mantel enger um sich. So gut es ging,schob er die Hände mit den Zügeln in die Ärmel. Langsam setzte sich der Trupp in Bewegung. Ulrich ritt an der Spitze, Ludger in der Mitte. Auf ihrem Weg sprachen sie kein Wort.
Langsam wurde der Himmel dunkelblau, glitt ins Türkisfarbene und wurde schließlich himmelblau, im Morgennebel fast weiß. Es war Tag.
Die Landschaft wurde abwechslungsreicher. Sie hatten den großen Wald hinter sich gelassen und kamen durch eine karstige Steppenlandschaft. Hätten ihn nicht so große Sorgen gequält, hätte Ludger diesen Tag genossen, denn es war ein frischer und angenehmer Frühling, wie man ihn sich nach einem harten Winter sehnlichst herbeiwünschte.
Gerade plagten ihn wieder seine verwirrenden Gedanken an Irmgard, Konrad und die tote Petrissa, als Hufschläge hinter ihnen erklangen. Ein vielleicht zehnjähriger Junge kam herangeprescht. Aus dem Maul seines Pferdes flockte Schaum, und er selbst klammerte sich verzweifelt am Hals des Tiers fest, das er ohne Sattel ritt. Er wurde nicht etwa aufgehalten oder als lebende Zielscheibe für erbauliche Schießübungen benutzt, wie Ludger es der erlesenen Gesellschaft am ehesten zugetraut hätte. Vielmehr bildeten die Männer eine Gasse, um ihn hindurchzulassen. Ludger war bis zuletzt überzeugt davon, daß der Knabe weiterpreschen würde. Er sah sogar, wie er dem Pferd noch einmal einen kräftigen Tritt mit den Hacken gab, als er an ihm vorbeijagte. Kurz vor Ulrich jedoch riß der kleine Reiter so heftig an den Zügeln seines Tieres, daß es aus dem Galopp auf die Hinterbeine stieg und, umgeworfen vom eigenen Schwung, einen Satz machte und bockte. Das war zuviel für den Jungen. Er flog in hohem Bogen von seinem Tier und rollte durchs Gras. Eine gewaltige Staubwolke schwebte an Ludger vorbei.
»Nun? Weshalb die Eile, Albrecht?« fragte Ulrich und grinste.
»Hinter uns her! Viele! Gleich da!« krächzte der Junge, rappelte sich auf und klopfte sich Gras aus dem Kittel.
»Was heißt viele ? Wie viele? – Ihr beiden, fangt sein Pferd ein, das ist ja ganz wild.«
»Viele! Viel mehr als wir! Haben Spieße und Bögen und Äxte, und ihre Pferde sind schnell!«
»Wie weit sind sie entfernt?«
Albrecht trat von einem Bein aufs andere, und man sah ihm an, daß ihm die Furcht im Nacken saß. »Kaum noch weit! Sind gleich da! Sie haben auf mich geschossen!«
» So nah also? Wohl kaum. Aber gleichviel. Ludger, Ihr reitet mit Hermann dort weiter, so schnell Ihr könnt. Wir werden versuchen, sie aufzuhalten. – Zeit für Heldentaten, Leute! Geht in Deckung, wir werden denen eine heiße Überraschung bereiten! Pribislaw dürfte in so kurzer Zeit ohnehin nur einen kleinen Haufen zusammengerufen haben können, und der Burgherr von Köpenick braucht seine Leute anderswo. Daß Pribislaw überlebt hat, ist damit wohl bewiesen.«
Ludger sah unsicher zu dem Ritter hinüber. Wollten sie sich wirklich für ihn opfern? Sein Blick fiel auf den Jungen, der vor Erschöpfung am ganzen Körper zitterte.
»Er kann doch nicht hierbleiben«, rief er.
»Was? Wieso nicht? Er hat eine Schleuder, und er ist gut damit, glaubt mir. Bei Gott, macht nicht
Weitere Kostenlose Bücher