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Die sieben Weltwunder

Die sieben Weltwunder

Titel: Die sieben Weltwunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Thiele
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hatte die Idee, die Kloaken der Stadt in den Weg der Kriegsmaschine umzuleiten. Die Räder des tonnenschweren Helepolis versanken buchstäblich im Morast. Und dann wurde er von den Rhodiern sturmreif geschossen.
    Demetrios musste sich geschlagen geben. Sehr siegessicher war er angerückt, desillusioniert und geschlagen musste er die Belagerung abbrechen und zahlreiche Tote und die kostbaren Kriegsmaschinen zurücklassen.
    Der Schrecken dieses Krieges war so tief, dass beide Parteien in einen Waffenstillstand und anschließende Friedensverhandlungen einwilligten. Ein Vertrag wurde geschlossen, der sie zu Verbündeten gegen alle Feinde machten, ausgenommen König Ptolemaios von Ägypten, der Rhodos während der gesamten Belagerung mit Lebensmitteln versorgt und Söldnertruppen zur Unterstützung geschickt hatte. Rhodos größter Triumph blieb die Unabhängigkeit – und Helios war ihr Garant.
    Die Rhodier verkauften das Kriegsmaterial mit Gewinn – der Erlös soll dreihundert Talente Silber (umgerechnet rund vierhunderttausend Euro) betragen haben – und lösten zusammen mit den Spenden, die der allgemeinen Erleichterung folgten, das Versprechen, das sie Helios gegeben hatten, großzügig ein.
D ER E RBAUER
    Zunächst hatten sie daran gedacht, den berühmten Lysippos, der schon Bildhauer bei Alexander dem Großen gewesen war, mit dem Werk zu beauftragen. Doch Lysippos war trotz seiner Fähigkeit und Erfahrung schon aufgrund seines fortgeschrittenen Alters zu einem solchen Monumentalwerk kaum mehr in der Lage. So fiel die Wahl auf einen Sohn der Stadt, Chares von Lindos, einen seiner jungen und talentierten Schüler. So strittig die meisten Fragen bezüglich des Koloss sind – über den Erbauer besteht weitgehend Einigkeit.
    Ein solcher Auftrag weckt in jedem jungen Künstler den brennenden Wunsch, sich ein unsterbliches Monument zu setzen. Doch der Stadtrat von Rhodos, überwältigt von der Idee, die erlittene übergroße Bedrohung in einem übergroßen Denkmal zu spiegeln, verpflichtete Chares auf eine erhebliche Steigerung der Höhe des Koloss. Zwölf Jahre seines Lebens arbeitete Chares nach dem Willen seiner Auftraggeber, die alle am Glanz dieses großen Werkes teilhaben wollten.
D ER S TANDORT DES K OLOSS
    Doch man weiß bis heute nichts Genaues über den Standort. Auch die antiken Quellen berichten nichts darüber, wo die Kolossalstatue sich befand. Manche Forscher haben als Standort einen erhöhten freien Platz mitten im Zentrum der antiken Stadt angenommen, ohne allerdings einen Beweis dafür erbringen zu können. Wahrscheinlich stand die mehr als dreißig Meter hohe Statue an einem Ort, wo sie von einfahrenden Schiffen schon von weither gesehen und als Orientierungspunkt dienen konnte. Vielleicht dort, wo sich heute das Fort San Nicolas befindet, die am weitesten vorgeschobene Bastion der Befestigungswerke, welche die Kreuzritter vom Orden der Johanniter im Kampf gegen die Türken errichtet haben. In diesem Fort sind zahlreiche antike Überreste verbaut worden.
P HANTASIE UND W IRKLICHKEIT
    Der Barockbaumeister Johann Fischer von Erlach hielt 1725 in einem Kupferstich die seit der Renaissance dominierende Vorstellung über Form und Standort des Koloss fest: Helios mit gespreizten Beinen, eine Fackel empor streckend, über der Hafeneinfahrt stehend, so dass die Schiffe mit vollen Segeln unter ihm durchfahren und in das schützende Hafenbecken gelangen können. Das hat, so weit bisher bekannt, als erster 1481/1496 ein Belgier namens Guillaume Caorsin in seiner »Historia von Rhodos« behauptet. Der Koloss habe »die bein wyth von einander uffgethon und ussgestrecket, also das kain schiff groß oder klein mocht in die port kommen anders dan zwischen den beinen.« André Thevet hat dann rund fünfzig Jahre später in seiner »Cosmographie de Levant« den Koloss so gezeichnet, und dieses Bild des spreizbeinigen Riesen über der Hafeneinfahrt war so eindrucksvoll, dass später kein Künstler mehr von dieser Vorstellung loskommen wollte oder konnte.
    Der eine Fuß hätte also auf einer Plattform auf der linken Spitze der Mole, der andere auf der gegenüberliegenden rechten Mole aufgesetzt sein müssen. Es mag enttäuschend sein, doch der Koloss konnte keineswegs in dieser herausfordernden Pose breitbeinig über der Hafeneinfahrt von Rhodos stehen. Es war eine reizvolle, durchaus symbolträchtige Vorstellung, aber kaum mehr als eine Phantasie, die der Wirklichkeit nicht standzuhalten vermag. Die in den antiken

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