Die siebte Maske
nachdenklich. Dann stieß er ein Grunzen aus und stemmte sich vom Sofa hoch.
»Okay«, sagte er. »Es war einen Versuch wert.«
Mike begleitete ihn zur Tür. An der Schwelle sagte Reddy: »Ich möchte mich von Ihrer Frau verabschieden.«
»Das richte ich ihr schon aus.«
Aber Reddy erspähte Nancy, die gerade das Wohnzimmer betrat, und rief: »Mrs. Karr?«
»Ja?« sagte Nancy.
Reddy setzte ihr zu Ehren ein Superlächeln auf.
»Ich habe mich gerade mit Ihrem Mann über etwas unterhalten, was Sie vielleicht auch interessiert. Er könnte im Handumdrehen zehn- oder zwanzigtausend Dollar verdienen, wenn er meiner Gesellschaft behilflich ist. Ich glaube, das sollten Sie wissen. Falls Sie zum Beispiel das Haus umdekorieren wollen.? Gute Nacht!« Und er ging.
Nancy starrte Mike mit offenem Mund an; Mike mußte einfach lachen.
»So ein gewiefter Schurke«, sagte er. »Ich mag den Kerl.«
»Ich finde ihn unausstehlich«, widersprach Nancy. »Mir so etwas zu sagen!«
Dann beim Abendessen fragte sie: »Sag mal, was müßtest du denn tun, um die zwanzigtausend zu bekommen?«
Mike erzählte es ihr. Das einzige, was er unterschlug, war die Frage, die ihn quälte, seit Adrienne Haven das Büro verlassen hatte.
Wie konnte sie so sicher sein, daß Tony Jerrick unschuldig war?
Bis zum Freitag abend hatte Mike die Frage fast völlig ins Unterbewußtsein verdrängt. Sie kam erst wieder auf, als Nancy und er im Haus der Capices am Orchard Hill eintrafen, wo sie zum Abendessen eingeladen waren. Eine Überraschung erwartete Mike im Wohnzimmer. Statt für vier war für sechs Personen gedeckt, und die beiden zusätzlichen Gäste waren Adrienne Haven und ihr Vater Eldon Kyle.
Es fiel Mike nicht leicht, sich seine Mißbilligung weder durch Worte noch durch Mienenspiel anmerken zu lassen. Aber Nancy und Louise retteten die Situation.
»Mr. Kyle«, sagte Nancy, »ich bin überzeugt, es war für Ihre Tochter eine große Hilfe, Sie gerade jetzt in der Nähe zu haben …«
Kyle griff über den Tisch und tätschelte Adriennes Hand. »Sie war eine Hilfe für mich, Mrs. Karr. Ich wußte gar nicht, was für Kräfte in ihr stecken, bevor diese entsetzliche Sache passiert ist.«
Louise bemerkte: »Das ist die erste Einladung, die Adrienne seit damals angenommen hat. Ich dachte mir, es würde ihr guttun.«
»Ich halte es für eine großartige Idee«, stimmte Nancy zu. »Du nicht auch, Mike?«
»Ja, warum denn nicht?« antwortete Mike und schaute Adriennes gesenkte Lider an. Es war ihm nicht recht, als die Lider sich hoben und Adriennes vorwurfsvolle Augen ihn anblickten.
»Ich möchte wetten, die Leute werden daraufhin noch mehr klatschen«, sagte sie. »Anscheinend erwartet man, daß ich Walter ein ganzes Jahr lang in klösterlicher Abgeschiedenheit betrauere. Aber ich habe mir gedacht, wenn ich nicht bald ein wenig unter die Leute komme, dann werde ich verrückt.«
»Und das hätte Walter bestimmt nicht gewollt«, ergänzte ihr Vater lächelnd. »Oder?« Er hielt noch immer Adriennes Hand in der seinen, und er sah sie mit so augenfälliger Hingabe an, daß es den Anwesenden peinlich war.
»Mike«, sagte Louise, um davon abzulenken, »wußtest du eigentlich, daß Mr. Kyle früher Arzt war? Natürlich könnte er sich nach wie vor mit ›Doktor‹ anreden lassen, aber es ist ihm lieber, wenn man es nicht tut.«
Kyle lächelte. »Ich habe meinen Beruf vor zehn Jahren an den Nagel gehängt, bevor ich zu einem von diesen angegrauten Hausärzten wurde, die alle Welt so entzük- kend findet und die oft solches Unheil anrichten …«
»Trotzdem wäre es mir lieber, wenn Vater als ›Doktor‹ Kyle bekannt wäre«, sagte Adrienne. »Es klingt so distinguiert.«
Phil sagte: »Ich kenne Leute, die nennen sich ›Doktor‹, obwohl sie viel weniger Recht dazu haben.«
»Mir ist es so lieber«, meinte Kyle. »Andernfalls würden mir die Leute nur mit ihren Rückenschmerzen, Leberleiden und eingewachsenen Zehennägeln auf die Nerven gehen.«
Louise und Nancy lachten. Einen Moment lang schien die Stimmung der Gesellschaft völlig gelöst und normal zu sein.
Aber Mike wußte, daß es sich nicht so verhielt. Das wurde ganz offensichtlich nach dem Essen, als Louise alle ins Wohnzimmer bat, wo man auf den Kaffee warten wollte. Phil bat Mike in einen kleinen Nebenraum, der gleichzeitig als Fernseh- und als Spielzimmer diente, vermutlich um ihm seine neueste Erwerbung zu zeigen, einen Billardtisch. Aber irgendwie verschwand Phil von der
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