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Die siebte Maske

Die siebte Maske

Titel: Die siebte Maske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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sitzen.«
    »Mir gefällt’s hier«, sagte der Häftling. Er wandte den Blick von Mike ab und sah sich im Besucherzimmer um.
    So kam Mike dazu, das Gesicht des Mannes zu betrachten. Tony Jerrick sah zweifellos gut aus; er war ein südländischer Typ, den jedoch einige Falten auf der Stirn und um die Mundwinkel davor bewahrten, als ›schöner Mann‹ klassifiziert zu werden. Er hatte schwarzes, allzu lockiges Haar, und die Bewegungen seiner Schultern und Arme wirkten etwas zu graziös. Mike konnte sich gut vorstellen, daß Jerrick seit seinen Kindertagen unter dieser natürlichen Anmut zu leiden gehabt hatte. Sein Körper mußte weh tun vom Widerstand dagegen, und all die ungewein- ten Tränen mußten ihm in den Augen brennen. Es ist ein hartes Stück Arbeit, den harten Mann zu spielen, dachte Mike.
    »Tony«, sagte er, »wollen Sie mir nicht erzählen, was an jenem Abend passiert ist?«
    »Das habe ich schon erzählt.«
    »Der Polizei, ja.«
    »Und meinem sogenannten Anwalt, Herr Rechtsverdreher«, sagte Tony giftig. »Ich habe nämlich einen, kapiert? Das Gericht hat darauf bestanden und einen gewissen Mr. Harvey dazu ernannt. Sie kennen ihn? Netter alter Knabe. Bißchen taub vielleicht, und er gefällt sich in seiner Rolle.«
    »Ich kenne ihn«, gab Mike gereizt zu. »Und Ihre Beschreibung stimmt nicht. Harvey ist ein erstklassiger Anwalt, einen besseren finden Sie nicht. Und wenn er sein Hörgerät einschaltet, hört er besser als Sie. Und an Ihrer Stelle, mein Lieber, würde ich es mir zweimal überlegen, bevor ich jemand anders vorwerfe, daß er sich in seiner Rolle gefällt.«
    Zuerst sah es so aus, als wolle Jerrick eine patzige Antwort geben, aber dann besann er sich anders und grinste. Ein widersprüchlicher Mensch, dachte Mike.
    »Na schön, Herr Rechtsverdreher. Adrienne meint, Sie seien in Ordnung, also sollte ich Ihnen vielleicht nicht das Leben schwermachen.«
    »Wie nett von Ihnen«, knurrte Mike.
    »Sie wollen hören, was an jenem Abend passiert ist? Ich werde es Ihnen sagen.« Er zog eine Zigarette hervor, suchte jedoch gar nicht erst nach einem Zündholz; die waren offenbar tabu. Ein Aufseher kam herüber und gab ihm Feuer. Tony wandte sich mit breitem Grinsen an Mike. »Sehen Sie, wie prompt man hier bedient wird? Warum sollte ich weg wollen?«
    »An jenem Abend«, beharrte Mike.
    »Ja«, sagte Jerrick. »Tja, ich hatte eben Pech. Typisches Jerrick-Pech. Sie wissen, daß Haven meine kleine Firma aufgekauft hat, der dreckige –« Er fügte ein paar unfreundliche Kraftausdrücke hinzu, aber Mike ließ sich nicht beeindrucken. »Der hat mich ganz schön drangekriegt, der Kerl. So wie er’s einmal auf mich abgesehen hatte, gab’s kein Halten mehr. Hat mir was vorgeflunkert, so als würde ich das große Los ziehen. Er benutzte sogar seine Frau, der widerliche –« Jerrick brach ab. »Ich meine, er hat Adrien- ne sozusagen dazu gezwungen, sich mit mir anzufreunden. Verstehen Sie mich recht. Sie hat niemals etwas getan, was ich meiner Mutter nicht weitererzählen könnte – und Sie sollten meine Mutter kennen, Mann, die thront zur rechten Seite Gottes. Aber er hat sie vorgeschoben, Sie verstehen, um bei mir gutes Wetter für sich zu machen. Und mir scheint, es hat geklappt.«
    »Sie mögen Adrienne, stimmt’s?«
    »Machen Sie Witze?« Jerrick lachte schrill auf. »Ich bin verrückt nach ihr. Alle Welt weiß das. Ihr zuliebe würde ich Walter Haven nicht nur einmal umbringen, sondern Tag für Tag.«
    Mike knurrte. »Sagen Sie das nicht zu laut, Tony. Nicht mal zu mir.«
    »Warum nicht? Es ist die Wahrheit. Ich bin verrückt nach Adrienne, auch wenn ich für sie der letzte Dreck bin. Und das bin ich, weiß Gott, aber was soll’s? Ich kenne ein Dutzend Weiber, die verrückt nach mir sind, und für mich sind die der letzte Dreck. Gleiches Recht für beinah alle, was, Herr Jurist?«
    »Wie Sie meinen, Tony.«
    »Jawohl. Und wenn Adrienne von mir verlangt hätte, ich soll ihren blöden Ehemann umbringen, dann hätte ich’s gemacht. Aber ein bißchen geschickter, kapiert? Nicht auf eine so blöde Weise, Kugel in den Kopf und Fingerabdrücke an allen Ecken und Enden – wofür halten die mich denn? Dafür bin ich zu gut ausgebildet – Gefängnisausbildung, was einem die bösen Buben so beibringen. Das tut mir richtig weh, Mister – daß sie mich als Idioten hinstellen.«
    »Sie haben mir noch immer nicht gesagt, warum Sie hingegangen sind.«
    »Ich wollte mit ihm reden! Das ist alles! Warum denn

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