Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die siebte Maske

Die siebte Maske

Titel: Die siebte Maske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
Vom Netzwerk:
genommen. Die Havens lebten nicht mal getrennt – von Scheidung war nie die Rede. Klar hatte er seine Flausen im Kopf, immerzu Politik und was weiß ich – und das alles hat ihr vielleicht nicht gepaßt. Aber weshalb sollte in so einer Ehe ein Grund zum Selbstmord vorliegen?«
    »Nun, du bist doch über seine geschäftlichen Sorgen im Bilde –«
    »Zugegeben, er war ein schlechter Geschäftsmann. Ein miserabler Geschäftsmann – aber dann hat er ein paar Leute um sich versammelt, und die haben ihm ein paar wirklich gute Ratschläge erteilt: Kauf diesem Jerrick seinen Laden ab, sichere dir die Patente, leih dir Geld, wenn es sein muß – und genau das hat er getan. Mit Erfolg.«
    »Wir wissen nicht, ob der Erfolg ihm treu geblieben wäre –«
    »Aber es bestand Hoffnung. Er muß sehr gespannt gewesen sein, ob die Hoffnung sich bewahrheiten würde. Begeht jemand in so einer Situation Selbstmord?«
    Mike wurde allmählich immer kleiner. Er hatte sich direkt darauf gefreut, Bill seine Entdeckungen mitzuteilen; jetzt war er niedergedrückt. »Am Motiv hängt alles«, gab er düster zu. »Das bezweifle ich gar nicht –«
    »Es gibt kein Motiv«, erklärte Bill rundheraus. »Denkst du vielleicht, wir hätten Havens Lebenslauf nicht nach allen Regeln der Kunst unter die Lupe genommen? Der Mann hatte Grund genug zum Weiterleben. Er hatte Hoffnungen auf die Zukunft. Er war ehrgeizig. Zwei Tage vor seinem Tod hat er sich im Monticello Club öffentlich mit seinen politischen Ambitionen gebrüstet – Bekannte hatten sich darüber lustig gemacht, daß er Gouverneur werden wollte; noch ein Haven an der Spitze des Staates. Aber er hat sich nicht erschüttern lassen. Für ihn lag das durchaus im Bereich des Möglichen.«
    »Bill, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich glaube, die Frau sagt die Wahrheit.«
    »Sie erzählt dir, was sie selbst gern glauben möchte. Weil der Mann, den sie liebt, wegen Mordes an ihrem Gatten verurteilt werden wird. Gib dich da keiner Täuschung hin, Mike, ich kann mich auf meinen Instinkt verlassen. Man wird Jerrick verurteilen, und – wer weiß – vielleicht zieht er seine Freundin mit hinein.«
    »Das kaufe ich dir nicht ab, Bill.«
    »Sie hat dich um den Finger gewickelt, Mike! Siehst du das denn nicht? Sie hat dich genau richtig eingeschätzt! Sie hat damit gerechnet, daß du auf die Geschichte mit der ›Selbstaufopferung‹ hereinfallen würdest, denn das ist genau die Art von edler Regung, auf die du reinfällst –«
    »Wenn sich wenigstens ein Motiv finden ließe –«
    »Ausgeschlossen. Es gibt keines. Nicht für Selbstmord. Im Fall von Mord liegen die Dinge wesentlich anders. Da gibt es Motive mehr als genug, mein Lieber.«
    Mike stand auf.
    »Gott stehe uns bei, wenn du dich irrst, Bill. Siehst du denn nicht, was auf dem Spiel steht? Es könnte sein, daß du einen Unschuldigen in den Tod schickst.«
    Bill bekam einen roten Kopf. »Halte mir bitte keine Predigt, Mike. Freund oder nicht, das lasse ich mir nicht bieten. Ich bin Polizist. Ich habe einen Mord aufzuklären. Was mit dem Täter geschieht, ist Sache des Gerichts.«
    »Entschuldige«, sagte Mike. »Ich finde nur, wir sollten ganz genau wissen, was wir tun. Wir beide.«
    »Ich weiß es. Ich habe Beweise. Und was hast du, Mike?«
    Das war eine berechtigte Frage.

7
    T ony Jerrick sah Mike sofort,als er das Besucherzimmer betrat. Seine dunklen Augen unter den buschigen Brauen hefteten sich an Mikes Gesicht fest während des kurzen Weges von der Tür zur Sitzbank. Seine Blicke waren wie Pfeile und verrieten eine kämpferische Aufsässigkeit, die einen im voraus entmutigen konnte. Aber Mike war entschlossen, die Grobheit des Mannes zu ignorieren, auch wenn Jerrick sie sogleich in Worte faßte.
    »Ich habe nicht nach Ihnen geschickt, Rechtsverdreher.«
    »Ich bin von selbst gekommen«, sagte Mike mit dem Anflug eines Lächelns.
    »Den Teufel haben Sie. Adrienne hat Sie bearbeitet. Ich habe ihr gesagt, ich will niemanden sehen, weder Sie noch sonst wen.«
    »Haben Sie was gegen Anwälte, Tony?«
    »Na, und wie, ich liebe sie heiß und innig. Fast so sehr wie Leichenbestatter.«
    »Das klingt ganz so, als hätten Sie schlechte Erfahrungen gemacht.«
    Jerrick schnaubte. »Wie würden Sie das hier sonst nennen?«
    »Ich nenne das blanke Dummheit«, sagte Mike. »Was wissen denn Sie? Wenn Sie einen guten Rechtsanwalt hätten, könnten Sie vielleicht längst schon wieder draußen herumspazieren, statt hier im Gefängnis zu

Weitere Kostenlose Bücher