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Die siebte Maske

Die siebte Maske

Titel: Die siebte Maske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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Ich habe für diese Gelegenheit ein besonderes Programm zusammengestellt – Perlen der Klavierliteratur, geschrieben von den großen Meistern dieses Instruments.« Und jetzt war Phil wiederum entzückt. Der anfängliche Schock war überwunden, er verspürte eine köstlich kribbelnde Neugier, die ihn zu einem vergnügten Grinsen herausforderte.
    »Meine erste Darbietung heute abend«, erklärte Fry, »ist die wohl vertraute Sammlung von Präludien und Fugen, genannt ›Das wohltemperierte Klavier‹, von Johann Sebastian Bach, ein Zyklus, mit dem Bach demonstrieren wollte, in welchem Ausmaß ein Komponist die Möglichkeiten des Klaviers auszuschöpfen in der Lage ist. Es handelt sich hierbei um eine äußerst interessante –«
    »W eitermachen!«
    Phil drehte sich um und schaute den untersetzten Mann an, obwohl er sich nicht sicher war, ob dieser der Störenfried war. Aber als wolle er jeden Zweifel ausschließen, sagte Phils Nachbar noch einmal: »Weitermachen, Fry! Keine langen Mätzchen!«
    Fry erstarrte, zu seiner vollen, wenn auch nicht sehr imposanten Größe aufgerichtet.
    »Ich dachte, es würde Sie interessieren«, sagte er in gekränktem Ton. »Die Kenntnis des Hintergrundes fördert das Verständnis des Werkes in erhöhtem Maße …«
    Auch die anderen rutschten auf ihren Stühlen herum, und es wurde hörbar gemurrt, aber niemand kleidete seinen Protest in Worte.
    »Nun«, sagte Fry und machte einen Schmollmund »wenn Sie es nicht erwarten können, daß ich spiele, dann spiele ich eben.« Er wandte sich, spürbar beleidigt, der Klavierbank zu, nahm jedoch noch nicht darauf Platz. »Ich werde allerdings keine weiteren unfreundlichen Bemerkungen dulden. Dies ist ein Konzert …«
    Er ließ den Blick kühl über das Publikum schweifen, von einer Maske zur anderen. Dann schaute er zur Tür, und
    Phil folgte seinem Blick. Dort stand der Butler, mit gekreuzten Armen. Eine Leibwache? fragte sich Phil.
    Nun saß Fry am Flügel. Er entspannte umständlich die Finger. Dann legte er sie auf die Tasten.
    Phil rechnete mit allem möglichen, unter anderem mit klimpernder Unfähigkeit, aber Fry spielte wirklich gut. Nicht perfekt; bei manchen Passagen waren seine kleinen Finger zu sehr damit beschäftigt, über die Tastatur zu huschen, um Vollendung zu erzielen. Aber der Mann konnte Klavier spielen; vielleicht hatte er früher einmal sogar Konzertformat besessen. Unwillkürlich ertappte Phil sich dabei, wie er aufmerksam und fast mit Genuß zuhörte.
    Aber er war der einzige. Als Fry das erste Stück beendet hatte und mit dem nächsten begann, machte sich Füßescharren bemerkbar, Beine wurden übereinandergeschlagen, Räuspern und Murren kamen auf, und ungeduldige Füße klopften mit den Schuhspitzen auf den Boden. Joachims Freunde waren ihrem Gastgeber offenbar nicht allzu freundlich gesonnen.
    Aber warum waren sie maskiert?
    Fry begann eben mit dem fünften Stück seiner Darbietung, als der untersetzte Mann aufstand.
    »Fry!« sagte er laut.
    Der Pianist brach mit einem häßlichen Akkord ab. Drüben an der Tür beugte sich der Exboxer drohend vor.
    »Machen Sie einen Punkt«, sagte der untersetzte Mann mit bebender Stimme. »Herrgott noch mal, machen Sie endlich einen Punkt!«
    Dann stand noch jemand auf.
    »Sehr richtig«, grollte er. »Ist es nicht sowieso schlimm genug?«
    Joachim Fry schaute mit zuckendem Mund auf die Tasten. Einen Moment lang dachte Phil, er werde in Tränen ausbrechen. Aber dann schien er sich wieder zu fassen. Er drehte sich um und lächelte seine ungeduldigen Zuhörer an.
    »Chopin«, sagte er mit weicher, besänftigender Stimme. »Gegen Chopin hatten Sie nie etwas einzuwenden. Ich schlage vor, ich spiele Chopin – und das Konzert ist beendet?«
    Drüben stützte sich der Butler mit den Händen gegen beide Seiten des Türrahmens wie eine Statue von Samson.
    Langsam setzte sich der Dickwanst wieder hin. Fry lächelte fast dankbar. Er spielte ein Prelude von Chopin, sorgsam und gekonnt, ohne einen einzigen Fehler. Er endete mit einem kleinen Schlenker, stand auf und verbeugte sich, so als wäre ihm donnernder Beifall entgegengebrandet. In Wirklichkeit rührte sich keine Hand. Aber das schien Joachim Fry nichts auszumachen.
    »Ich danke Ihnen«, sagte er. »Ich danke Ihnen vielmals, meine Freunde. Ich hoffe, das Konzert hat Ihnen gefallen. Und jetzt wird es mir ein Vergnügen sein, Ihre Spenden entgegenzunehmen. Mr. Sawyer …« Er verbeugte sich, machte eine graziöse Kehrtwendung und

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